Das Beben
nicht schnell genug dreht, um das Flugzeug zu bewegen, und dann stieg der Vogel eigentümlich mechanisch in die Lüfte, wobei er einen Schrei ausstieß, der noch aus der Entfernung erschreckte. Man könne bei dem Geschrei der wilden Pfauen kaum telephonieren, sagte der König. Er habe deshalb bisher auch nicht daran gedacht, die Bresche in der kilometerlangen Mauer, die den Palastgrund umgab, schließen zu lassen. Dort waren die graubraunen Lehmsteine beim letzten Erdstoß zu einem weich konturierten Haufen zusammengesunken, über den nachts verwilderte Hunde eindrangen. Solche Hunde hatte ich schon bei meiner Ankunft bemerkt, gelbe, wie aus räudigen Fellresten zusammengestückelte Tiere, hechelnd, mit geducktem Kopf, immer gewärtig, geschlagen oder von einem Stein getroffen zu werden, struppig und krank. Das Lebendigste an ihnen waren die Augen, die keineswegs so anklagend und gefühlvoll blickten, wie bei Hundeaugen sonst notorisch, sondern kalt und abwesend, als sei ihnen klar, wie abstoßend und ausgestoßen sie wirkten. Auf menschliche Zuwendung durften sie nicht zählen, aber sie wollten sich auch nicht davon abbringen lassen, sich selbst am Leben zu halten. Warum verbrachten die Pfauen die Nacht nicht auf den Bäumen wie andere Vögel? Waren sie zu schwer und durch den langen Schweif gehindert, das Gleichgewicht zu halten, wenn sie ihren raumverdrängenden Körper auf einem Zweig balancierten? Nachts fuhr ich zweimal aus dem Schlaf. Draußen schrie es, als werde ein Kind ermordet. Beim zweiten Mal sah ich im Mondlicht ein Rudel Hunde, deren Felle im Silberglanz beinah weiß erschienen. Zwischen den Schnauzen wurde der Kadaver eines Pfauen hin- und hergezerrt. Das Prachttier war zu einem Lumpen geworden, seine Schleppe zu lästigem Gestrüpp.
So sah das Leben aus, das sich zu Füßen des königlichen Palastes abspielte, das Leben im Reiche Sanchor. Die Hunde glaubten nur ihrem Hunger und ihrer Jagdleidenschaft zu gehorchen, und handelten doch mit Wissen und letztlich sogar nach dem Willen des Königs. So war Sanchor stets regiert worden, wenn man Purhoti glaubte. Die Wesen, die sich in seinen Grenzen regten, die sich nährten und fortpflanzten und den König in seiner Erhabenheit nur bei hohen Festen von fern sahen, wußten nicht, daß sie, indem sie lebten und den Augenblick des Todes so weit wie möglich hinausschoben, nichts anderes taten, als dem Willen des Königs zu gehorchen. In der Kahlheit des Palastgartens – ich bleibe dabei, diese weite Fläche, die durch das Ende des Staates Sanchor ein Garten nie geworden war, dennoch so zu nennen, weil mir ihre besondere Schönheit in dieser Nacht aufging – bildete der Schwarm Pfauen die Blütenpracht, leider eine geräuschvolle, und so hatte die Erde selbst dem Stirnrunzeln des Königs beim Telephonieren gehorcht, den Mauerring geöffnet und die untersten, die namenlosen und auf keiner Gehaltsliste verzeichneten gelben Diener eingelassen, die dafür sorgten, daß die lärmende Schar nicht allzu groß wurde. In den Mauern des Palastbezirkes war alles bei der alten Harmonie geblieben, und wenn man, wie die Gesetze der Erfahrung es gelegentlich erlauben, von den näheren Umständen auf die ferneren schloß, womöglich auch jenseits der Mauern.
Am Morgen überraschte mich dann das eindringliche Schwätzen aus vielen Vogelkehlen. Ein Baum am Rande der Pflanzungen war ganz von kleinen grünen Papageien besetzt. Wie auf ein Händeklatschen schwirrten sie zusammen in die Luft, um zum Boden herunterzustoßen, wo auch sie im scheinbar Unfruchtbaren Körnchen fanden. Eine kleine Herde grauer Eichhörnchen mischte sich unter die Papageien, so daß über eine Fläche von der Größe eines Bettlakens Papageien und Eichhörnchen, alle in zitternder Bewegung, sich abwechselten wie auf einem Stoffmuster. Ein lebendiger Teppich breitete sich vor mir aus. Dann flogen die beiden Tierschwärme, die voneinander keine Notiz genommen hatten, wieder auseinander. So etwas sollte vor mir kein Seidenweber gesehen haben? Waren nicht alle authentischen Ornamente Nachahmung von Blättern, Muscheln, Blüten, Federn, Widder- und Büffelhörnern, mit denen man einst Häuser und Altäre geschmückt hatte?
Es brauchte Zeit, bis ich wagte, mich allein aus meinem Zimmer fortzubewegen. Durch die Fliegengitter, die die Türrahmen ausfüllten, sah die Welt draußen düster aus. Ich glaubte lange, es werde irgendjemand erscheinen, um mich nach meinen Wünschen zu fragen, mir einen Tee zu bringen
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