Das Begräbnis des Monsieur Bouvet
eine war sehr dick, der andere etwas weniger. Jeder hatte eine lederne Aktentasche bei sich, und zusammen stürzten sie sich auf das erstbeste Taxi.
»Quai des Orfèvres. Zur Kriminalpolizei. Schnell.«
Sie sahen sehr wichtig aus, rauchten dicke Zigarren und sprachen Flämisch miteinander, so daß der Taxifahrer von ihrer Unterhaltung nichts verstand.
Bei der Kriminalpolizei ließ man sie gleich vor, und der Dickere betrat das Büro des Direktors zuerst.
»Joris Costermans«, stellte er sich vor. »Sehr erfreut. Ich habe mich von unserem Rechtsbeistand begleiten lassen, Cornelius de Greef. Er spricht leider kein Französisch. Haben Sie mein Telegramm erhalten? Sie haben ihn doch wohl noch nicht begraben?«
Er hatte graues Haar, Bürstenschnitt, ein rotes Gesicht und roch von oben bis unten nach Zigarre. Er reichte sein Etui dem Direktor hin, der jedoch ablehnte, da er nur Pfeife rauche.
»Ich wußte, daß es so kommen würde, verstehen Sie? Schließlich bin ich noch vom alten Schlag.«
Was für ein Schlag das war, sagte er nicht. Daß er aber ganz offensichtlich mit sich selbst sehr zufrieden war, sah man an der Art, wie er sich in seinem Sessel zurücklehnte und seine kurzen Beine übereinanderschlug.
»Zuerst einmal, wie Sie selbst herausgefunden haben, wenn ich der Zeitung glauben darf, heißt er ebensowenig Bouvet wie ich. Gut! Erster Punkt! Außerdem heißt er auch nicht Marsh, wie ich schon vor zehn Jahren herausgefunden habe. Zweiter Punkt! Und Sie werden sehen, es ist noch viel komplizierter, als es den Anschein hat. Auch Cornelius würde Ihnen das erklären, wenn er Französisch spräche. Also ist die erste Folgerung, daß Mrs. Marsh nicht Mrs. Marsh ist, denn unter diesem Namen ist die Eheschließung ja in Panama vollzogen worden. Da die Ehe unter falschem Namen geschlossen wurde, ist sie automatisch null und nichtig. Folglich ist auch Mademoiselle Marsh nicht mehr Mademoiselle Marsh.«
Er schien ganz begeistert zu sein.
»Können Sie mir folgen?«
»Ich kann Ihnen folgen. Ich möchte nur gern wissen, wie Sie herausgefunden haben, daß Marsh nicht sein richtiger Name ist.«
Costermans zwinkerte mit den Augen, zwinkerte auch zu Cornelius hin, dem er die Frage des Direktors erst übersetzen mußte.
»Das ist ganz einfach, gleichzeitig aber auch eine lange Geschichte. Ich bin Sechsundsechzig, Monsieur. Ich weiß, ich sehe nicht so alt aus, ich bin es aber trotzdem, verstehen Sie? Und ich habe zwanzig Jahre meines Lebens im Kongo verbracht. Kennen Sie den Kongo? Nein? Schade. Ich bin hingefahren im Auftrag der Metallgesellschaft, als ich dreißig war. Ich habe gut verdient, aber alles ausgegeben, was ich verdiente. Ich war nicht verheiratet. Ich lebte im Busch, und wenn ich nach Stanleyville fuhr, habe ich ordentlich einen draufgemacht. Aber mehr brauche ich Ihnen darüber wohl nicht zu sagen.«
»Und im Kongo haben Sie Marsh kennengelernt?«
»Marsh, der nicht Marsh ist, der sich aber zu jener Zeit Marsh nannte. Genau. Noch genauer, er lief mir nach, weil er mich brauchte. Er hatte die Konzession für eine Goldmine in Ouélé erhalten. Leute, die sich für sehr schlau hielten, hatten ihm ein Vorkommen verkauft, von dem sie selbst annahmen, es sei wertlos.«
»In welchem Jahr war das?«
»1920. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Damals war er sieben- oder achtundvierzig.«
»Was für ein Mensch war er?«
»Einer, der nicht viel redete, ab und zu mit amerikanischem Akzent sprach, das aber oft vergaß.«
»Trank er?«
»Mineralwasser. Er verfügte über ziemlich viel Kapital, das er investieren wollte. Vor allem, glaube ich, wollte er im Busch leben, sich ›kanakisieren‹ lassen, wie wir da unten sagten. Sie verstehen das sicher nicht. Es gibt Weiße, die Weiße bleiben, Zivilisierte, wo sie auch immer sind. Manche, wie die Engländer, ziehen sich einen Smoking an, wenn sie allein in ihrem Zelt essen. Andere leben mit einer oder mehreren Eingeborenen. Viele trinken. Dann gibt es noch welche, die sich kanakisieren lassen, sich nicht mehr um ihr Aussehen und ihre Manieren kümmern und sich nach ein paar Jahren aufführen wie die Wilden.«
»Zu dieser Kategorie gehörte wohl Marsh?«
»Zur Kategorie gerade noch darüber. Sagen wir mal, er lebte wie ein Negerkönig. Wir sind in Stanleyville zu einem Anwalt gegangen, der uns die Statuten für eine Aktiengesellschaft ausarbeitete. Das Kapital für diese Gesellschaft wurde fast ausschließlich von diesem sogenannten Marsh zur Verfügung gestellt.
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