Das Begräbnis des Monsieur Bouvet
Geländer und rief mit einer gellenden Stimme, die man ihr nicht zugetraut hätte:
»Was ist denn los? … Nein! Die sind nicht da, die sind im Urlaub … Wann sie zurückkommen? … Am 28. September …«
Im Vorbeigehen lächelte sie dem Polizisten zu, der sich mit dem Jungen auf eine Treppenstufe gesetzt hatte.
»Wie zufällig kam drei Tage später noch einer, aber der hatte einen deutschen Akzent, da bin ich sicher. Und in der Woche darauf hielt ein Wagen von der Kommandantur vor dem Haus. Ein Leutnant und drei Männer in Uniform stiegen aus.
Kaum, daß sie ein Wort mit mir gesprochen hätten. Sie wußten, wohin sie wollten. Sie sind sofort hier heraufgegangen. Ich bin hinterher. Als ich sah, daß sie die Tür aufbrechen wollten, sagte ich ihnen, ich hätte den Schlüssel, und sie warteten, bis ich ihn geholt hatte.
Aber sie ließen mich nicht mit hineingehen. Sie schlugen mir die Tür vor der Nase zu. Vier Stunden waren sie in diesem Zimmer. Was sie da gemacht haben, weiß der liebe Gott. Es stand da ebensowenig herum wie jetzt.
Endlich kam der Leutnant herunter, allein. Er trat in meine Loge und setzte sich, ohne daß ich ihn dazu aufgefordert hätte. Er sprach etwas Französisch.
Er fing an, mich über Monsieur Bouvet auszufragen, und wollte unbedingt wissen, wo er hingefahren sei. Er wiederholte die ganze Zeit: › Sie wissen Bescheid, Madame! ‹
›Selbst wenn ich es wüßte, würde ich es nicht sagen.‹
› Das ist sehr schlimm, Madame! ‹
Es war ein großer Blonder, ein schöner Kerl. Er sah aus, als habe er ein Korsett an.
Er rief noch einen anderen herbei, der im Auto geblieben war, und fing an, in meinen Schubladen herumzuwühlen. Wir bekamen schon Karten aus dem nicht besetzten Gebiet, wo mehrere Mieter hingeflüchtet waren. Er hat sie alle mitgenommen.
Und ob Sie es glauben oder nicht: Dreimal sind sie wiedergekommen, als mache ihnen diese Angelegenheit mächtig Kopfzerbrechen.
Mir machte es im Grunde Spaß, weil es mir bewies, daß Monsieur Bouvet sie nicht mochte.
Gleichzeitig machte ich mir Sorgen. Ich wußte nicht, ob er auf die andere Seite gelangt war, und erst drei Monate nach der Libération sah ich ihn vor dem Haus von einem Lastwagen steigen, der aus der Dordogne kam und voller Flüchtlinge war.«
»Was hat er Ihnen da erzählt?«
»Nichts. Er fragte mich, ob seine Wohnung noch frei sei und ob ich nicht zuviel gehungert hätte.«
»Und als Sie ihm von den Besuchen der Deutschen erzählten?«
»Hat er gelächelt. Das schien ihn zu amüsieren. Er erzählte mir dann nachher, er habe die Kriegsjahre auf einem Bauernhof in der Dordogne verbracht. Anscheinend hat er da auf dem Hof geholfen, und das glaube ich auch, denn seine Hände waren hart geworden und er trug noch derbe Bauernschuhe. Er erzählte mir oft von der Bäuerin. Ich war sogar ein bißchen eifersüchtig. Sagen Sie doch! Ob sie ihn uns jetzt zurückgeben werden? Da er Ihr Bruder ist, haben sie doch keinen Grund mehr, ihn zu behalten.«
Ihr Blick wurde mißtrauisch.
»Glauben Sie nicht, er wäre hier am besten aufgehoben für …«
Sie suchte nach dem Wort. Sie genierte sich, das Wort ›Bestattung‹ auszusprechen. Und ›Beerdigung‹ kam ihr zu vulgär vor.
»Mein Anwalt hat sich heute nachmittag sicher darum gekümmert. Ich glaube nicht, daß die Sache ganz so schnell geht. Meine Aussage reicht nicht aus, und sie müssen erst noch andere Zeugen finden.«
»Ach!«
»Der Arzt, der ihn behandelte, als er vom Baum fiel, ist leider tot. Aber zweifellos sind noch einige seiner ehemaligen Schulkameraden am Leben.«
»Glauben Sie, er hat diese Frau wirklich geheiratet?«
»Möglich ist es. Es ist sogar wahrscheinlich.«
»Aber er hat sie doch verlassen, oder? Also …«
Der Inspektor stand in der Tür, hustete mehr oder weniger diskret, und Madame Jeanne nutzte, obwohl die Leiche nicht da war, die Gelegenheit, die Fenster und Fensterläden zu schließen. Sie ging schnell zum Bett und war ganz gerührt, als Madame Lair ihr half, es in Ordnung zu bringen.
»Wenn ich nicht so viel gequasselt hätte, hätte ich noch Staub wischen können. Bringen Sie die Siegel wieder an, Inspektor?«
»So lauten meine Vorschriften.«
»Wenn ich mir überlege, daß ich zweimal an der Schnur gezogen habe, ohne es zu wissen!«
Auf der Treppe wandte sie sich an den kleinen Sardot.
»Weißt du, wer die Dame ist? Sie ist die Schwester deines Freundes Monsieur Bouvet. Sag ihr guten Tag.«
Und der Junge streckte ihr die Hand hin
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