Das Begräbnis des Monsieur Bouvet
Staub aufwirbeln darf, denn die Regierung ließe das Bild nicht aus Frankreich heraus.
Aus diesem Grund habe ich daran gedacht, daß Frank Gervais, der Ehemann, vielleicht imstande wäre, mit Gummihandschuhen in eine Wohnung einzubrechen.
Nur, so wie es ihnen im Moment geht, hätte er dem Reiz der Goldstücke sicher nicht widerstehen können.«
»Außer er wäre sicher gewesen, seine Frau erbt welche davon.«
»Ich weiß. Daran habe ich auch gedacht. Er war es aber nicht, denn der junge Marette hat sein Alibi überprüft. Er hätte in jener Nacht gar nicht am Quai de la Tournelle sein können. Ihre alte Dame ebenfalls nicht. Bleibt uns noch die Alte von Monsieur Beaupère.«
»Hat er sie gefunden?«
»Noch nicht. Er wird sie aber finden. Und andere Frauen werden noch von sich aus kommen. Und ich wollte in drei Tagen in Urlaub fahren! Wäre dieser verfluchte Student bloß nicht so aufs Fotografieren versessen gewesen … Haben Sie nicht auch das Gefühl, daß dieser Bouvet oder Lamblot oder wie er auch immer heißen mag, sein Lebtag nichts anderes getan hat, als die Leute an der Nase herumzuführen?«
Lucas, der in seinem Innern vielleicht doch gar nicht so ärgerlich war, wie er tat, wollte gerade hinausgehen, als das Telefon läutete.
»Hallo! … Ja, ich bin’s …«
Er blieb an der Tür stehen und wartete, bis sein Chef das Gespräch beendet hatte.
»Sind Sie sicher? … In welchem Jahr? … 1897 … Donnerwetter! Sehen Sie im Archiv nach … Lassen Sie mir die Karteikarte schon mal runterbringen …«
Als er aufgelegt hatte, sah er Lucas mit verschmitztem Lächeln an.
»Die da oben haben ihren Routinekram gemacht, weil sie nicht genau wußten, worum es eigentlich ging.«
Als man ihnen die Leiche übergeben hatte, waren alle Routineuntersuchungen durchgeführt worden. Wider alle Erwartung ist man bei den Fingerabdrücken fündig geworden.
»Bei uns gibt es seit 1897 eine Karteikarte über ihn. Sie ist sogar eine der ältesten, und sehr wahrscheinlich hat Bertillon höchstpersönlich die Abdrücke gemacht.«
Sie brauchten nicht lange zu warten. Ein Angestellter brachte ihnen eine Karteikarte, auf der man drei recht undeutliche Fingerabdrücke sah. Monsieur Guillaume drehte die Karte sogleich um, weil er auf das gespannt war, was auf der Rückseite stand.
Fall Mancelli, 28. Februar 1897. Auf dem als Mordwaffe benutzten Messer sichergestellte Abdrücke. Waffe bei Gericht hinterlegt.
Es war niemand im Haus, der sich an den Fall Mancelli erinnern konnte. Diejenigen, die etwas darüber wissen mochten, waren seit langem tot oder im Ruhestand.
Man konnte die Karteikarte übrigens nicht ohne eine gewisse Rührung betrachten. Das Format wurde schon seit langer Zeit nicht mehr benutzt. Wie Monsieur Guillaume gesagt hatte, war sie wahrscheinlich von Bertillon persönlich ausgestellt worden, kurz nachdem ihm der Erkennungsdienst übertragen worden war.
Wieder das Telefon.
»Hallo! … Ja … Sind Sie sicher? … Ich danke Ihnen …«
»Schade«, sagte er zu Lucas. »Es hat sicher eine Akte Mancelli existiert, aber im Archiv ist sie nicht mehr auffindbar.«
»Ich werde jemanden ins Palais de Justice schicken.«
»Die brauchen dann acht Tage, bis sie auf ihrem Dachboden alles durchwühlt haben. Ich glaube, Sie kommen schneller an Ihre Auskünfte, wenn Sie die Zeitungen aus jener Zeit durchkämmen.«
Er lächelte, weil ihm plötzlich etwas einfiel.
»Ich möchte wissen, wie sich jetzt die beiden Frauen verhalten werden. Madame Lair muß noch am Quai de la Tournelle sein, ohne zu ahnen, daß ihr Bruder, den sie eben erst glücklich wiederentdeckt hat, früher einmal seine Fingerabdrücke auf einem Messer hinterlassen hat und von der Polizei gesucht wurde.«
Sie war tatsächlich dort. Der Inspektor, der seine Amtsmiene in ihrer Nähe sogleich abgelegt hatte, war immer noch bei ihr. Sie hatte an Madame Jeannes Loge geklopft und die Concierge mit einem anmutigen, wenn auch leicht traurigen Lächeln angeblickt.
»Entschuldigen Sie bitte, wenn ich störe.«
Diese Worte waren hier wahrlich am Platz. Sie kam nämlich gerade mitten in einen Ehestreit, in dem Ferdinand, der seit zwei Tagen nicht mehr nüchtern gewesen war, offensichtlich den kürzeren zog.
»Ich bin die Schwester Ihres Mieters, und da ich weiß, was Sie alles für ihn getan haben, möchte ich mich gern mit Ihnen unterhalten. Ich dachte, Sie würden vielleicht mit mir in die Wohnung hinaufgehen, und der Inspektor macht uns dann die Tür
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