Das Begraebnis des Paten
gestand Allu.
»Dann benutz deine Scheißbirne mal für was anderes als bloß für den Anbau von Haaren. Ich hätte es Hölttä erklärt, auf den kann ich mich verlassen, aber der ist ein bisschen naiv. Der hätte es nicht kapiert.«
»Was hätte er nicht kapiert?«
»Dass die ganzen Kadaver natürlich jetzt auftauchen, wo mein Unterbewusstsein sie nach oben treibt. Man soll die Kraft des Unterbewusstseins nicht unterschätzen. Sagt Jung. Oder war es Freud?«
»Du hast alte Psychologie gelesen.«
»Es stimmt. Mein Unterbewusstsein zwingt mich, den Gespenstern der Vergangenheit zu begegnen, die ich im Sumpf versenken wollte. In diesem Fall im See. In zwei Seen.«
Allu machte den Mund auf, kam aber nicht dazu, etwas zu sagen. Hurme legte den Zeigefinger auf die Lippen und ermahnte ihn:
»Sag nicht, dass ich verrückt bin. Sag es bloß nicht.«
Allu breitete verzweifelt die Arme aus.
»Was soll ich denn sagen?«
Hurme antwortete nicht. Er massierte sich mit den Fingerspitzen die Schläfen. Ein Spund drückte auf seinen Schädel. Er spürte den Blutdruck in den Augen. Sie drohten aus den Höhlen zu springen.
Das Essen hatte nicht geholfen, weil es nicht geschmeckt hatte. Sein Blutzuckerspiegel war ganz unten, aber es hatte auch keinen Sinn, ihn zu erhöhen, wenn das Unterbewusstsein alles niederwalzte. Hurme hatte Angst. Fehlte nur noch, dass er nervöse Zuckungen bekam und schmutzige Witze aus dem Fenster schrie. Allerdings kannte er gar keine. Der Vater seiner Mutter war mit Mitte fünfzig durchgedreht, ein kräftiger Betongießer aus Kokkola, hatte an der Fahnenstange neben dem Arbeiterhaus die Leiter angestellt, war hinaufgestiegen, hatte sich an die Spitze gehängt und Unflätigkeiten durch die Gegend gebrüllt. Dann war er bei einer vorbeifliegenden Elster in den Sattel gesprungen. Beide kamen ums Leben, Mann und Elster. Die Elster wurde sofort begraben, der Mann eine Woche später. Im kleinen Kreis. Hurmes Mutter war auch schon in der Klapse gewesen, zwei Jahre sogar auf der Geschlossenen, am Ende aber wieder herausgekommen. So wortlos und scheu wie zuvor.
Auch Ozzy und Izzy waren verrückt gewesen, aber auf andere Art. Izzy hatte alles und jeden verdächtigt und war aus dem kleinsten Grund und auch ohne Grund explodiert. Ozzy hatte seinen Wahnsinn im Griff gehabt, und ihn nur rausgelassen, wenn er von Nutzen war.
Aber Hurmes aktueller Wahnsinn war anders. Er hatte vor allem und jedem Angst. Nur mit äußerster Anstrengung gelang es ihm, die Fassung zu bewahren, so sehr hatte er Angst. Sogar vor Allu, der noch nie irgendjemandem etwas getan hatte. Der bestenfalls mal eine Fliege platt machte.
Vor der Pizza, die er sich von Allu hatte bringen lassen, hatte Hurme fünf Tage lang nichts gegessen. Er hatte es nicht gewagt, weil er Angst vor einer Vergiftung gehabt hatte. Natürlich könnte er Hölttä beauftragen, aber den brauchte er im Hauptquartier. Leder und Liima konnte er nicht nehmen. Von den anderen taugte kaum einer auch nur zum Pizzaholen.
»Was soll ich tun?«, wollte Allu wissen. Er klang bereits etwas ungeduldig.
Hurme riss sich zusammen und fragte:
»Du kennst doch Leder und Liima?«
»Hietala und Liimatainen, stimmt’s? Leute von dir?«
»Mitglieder hier im Club. Meine Untergebenen. Ich hab das Gefühl, die wirtschaften ständig in die eigene Tasche, so wie Nacken und Nase damals. Als sie noch am Leben waren.«
Allu nickte.
»Ich kann mich an sie erinnern.«
»Leder und Liima haben sich noch nicht erwischen lassen, aber ich fürchte, der Tag wird kommen. Dann muss ich sie umlegen.«
»Klar.«
»Dienstag vor einer Woche waren sie in Orivesi, um dort einen Deal abzuwickeln. Großhandel. Auf dem Weg hierher sind ihnen hunderttausend Euro verdunstet. Der Stoff war weg, und es kam keine Kohle rein.«
»So was ist auf Dauer nicht gut fürs Geschäft.«
»Eben. Als ich sie fragte, was der Scheiß soll, erklärten sie mir, der Regenmann hätte den Stoff genommen, aber sie hätten die Knete nicht an der Stelle gefunden, wo sie sein sollte.«
»Was sagt der Regenmann dazu?«
»Ich hab ihn angerufen und um zwei Ecken herum gefragt, ob alles gut gelaufen wäre. Er meint, es wäre nichts Außergewöhnliches passiert.«
An dem Punkt war Hurme noch voller heiligem Zorn gewesen. Bereit, sofort nach Orivesi zu fahren und den Regenmann lebendig in seinem Wohnwagen abzufackeln, falls die Kohle nicht auftauchen sollte.
Jetzt war er es nicht mehr.
Letzte Woche war es damit vorbei gewesen,
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