Das Begraebnis des Paten
Dichter. Zum Glück hat er das inzwischen selbst kapiert und sich in die Verwaltung verzogen. Da kann er nicht so viel Schaden anrichten wie als Ermittlungsleiter.«
»Wer ist alles im Mustajärvi aufgetaucht?«, wiederholte Leila. Sie war mit Nikkilä einer Meinung über Kukkamäki, wollte jetzt aber nicht lange herumquatschen.
»Der junge Gutsbesitzer, seine Frau und deren Bruder. Alle drei auf die eine oder andere Art in einem Motorschlitten verheddert. In ihrem Sog tauchte als vierter dann Ossi ‚Ozzy’ Mähönen auf, Izzys Bruder und ehemaliger Präsident der Schwarzen Engel.«
»Kein Wunder, dass Ozzy nicht von der Taufe seiner Tochter zurückgekehrt ist.«
Nikkilä war derselben Meinung.
»Habt ihr schon mit Hurme gesprochen?«
»Wir fahren bald zu ihm, sobald wir ein paar Leute dazubekommen. Die neue Kommissarin ist mit dabei.«
»Was macht sie für einen Eindruck?«
»Na ja, sie ist eine Frau und kommt aus dem Osten«, sagte Nikkilä, »aber sie ist immerhin nicht Kukkamäki. Und sie scheint eher der effektive Typ zu sein.«
»Wie heißt sie?«
»Hannaleena.«
»Einen Nachnamen hat sie nicht?«
»Was? Doch, Partanen. Aber ich muss jetzt Schluss machen, Hannaleena kommt gerade. Ciao!«
Leila konnte sich nicht mehr verabschieden, die Verbindung war bereits unterbrochen.
Hannaleena also. Seit wann duzte man den neuen Chef gleich von Anfang an? Nikkilä würde sich von ihr aber bestimmt nicht Taisto nennen lassen. Obwohl. Vielleicht hatte er sich verändert. Vielleicht würde Leila ihren alten Partner gar nicht wiedererkennen, wenn sie in die Anstalt zurückkehrte. Falls sie zurückkehrte.
Aber was sollte sie sonst tun? Mit Allus Einkünften kämen sie nicht aus, jedenfalls nicht, solange er nicht arbeiten ging. Gaunereien würde sie nicht hinnehmen, und für andere Optionen zeigte Allu nur mäßiges Interesse. Singen konnte er, aber mit einem Repertoire von drei oder vier Stücken brauchte man sich noch nicht als Solist eines Tanzorchesters zu bewerben. Und bislang hatte er keine Lust gehabt, mehr Lieder zu lernen.
Abgesehen davon mochte Leila ihre Arbeit bei der Kripo, und in gewisser Weise mochte sie sogar Nikkilä. Bei ihm wusste man normalerweise, woran man war, und brauchte nicht zu rätseln. Er sagte, was er dachte. Und was er nicht sagte, sah man ihm an. Überhaupt waren Männer unkomplizierter als Frauen. Das hatte wohl mit ihren Röhrengehirnen zu tun. Da konnten keine Spulen durcheinandergeraten und Kurzschlüsse entstehen, wie es bei Frauen manchmal der Fall war.
Über die neue Chefin war aus der Entfernung schwer etwas zu sagen, aber Leila würde mir ihr schon auskommen. In der Regel kam sie mit allen aus. Außer mit ihrem verstorbenen Vater und mit Kukkamäki. Und manchmal mit sich selbst.
Sie ging vom See zurück zum Haus. Der Weg stand voller Pfützen, er war schlammig und glitschig, darum ging sie lieber auf dem Grasrand. Veke war hier bestimmt oft gegangen, wenn er vom Fischen zurückkam. Am Ufer lag ein altes, nach Teer riechendes Holzboot, es war mit Strick und Vorhängeschloss an einer massiven Birke festgemacht. Eine Wurmangel lehnte am selben Baum und zwei rostige Reusen waren so hingelegt worden, dass keine Vögel hineinkamen. Keine Netze und keine Wurfangel, aber die waren eventuell mit dem Saunagebäude vernichtet worden.
Veke hatte immer irrsinnige Angelgeschichten auf Lager gehabt, aber für ihren Wahrheitsgehalt hatte es ebenso wenig Garantien gegeben wie für Vekes andere Geschichten. Sogar Gedichte hatte er fabriziert, mehrere Hefte voll. Manchmal hatte er welche aufgesagt, aber Leila war nicht sicher, ob es eigene oder anderswo geklaute gewesen waren. Einmal hatte er damit angegeben, Verse von Eino Leino als seine eigenen ans Lokalblatt verkauft zu haben, bis ein Leser die Redaktion aufklärte.
»Aber da war ich sowieso schon dabei, die Tapeten zu wechseln«, schloss Veke seine Geschichte. Und kicherte sich eins.
Jetzt war Veke tot. Er würde nie mehr Geschichten erzählen und auch nicht mehr dazu kichern.
Leila ging ins Haus und setzte Kaffee auf. Am Vorabend hatte sie die Wohnung ihres Patenonkels durchsucht und festgestellt, dass er sich nie richtig eingerichtet hatte, obwohl er vier Jahre lang hier zu Hause gewesen war. Vielleicht hatte aber auch jemand nach dem Unglück seine Sachen in einen alten Koffer gepackt und im Kleiderschrank verstaut. Zahnputz- und Rasierzeug standen zwar samt Deodorant im Spiegelschrank im Bad, aber die Kleider befanden sich
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