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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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Schmalseite ihm zur Rechten, den Laden im Blick, und biß zu seiner eigenen Verwunderung herzhaft in den Klöben. »Hast du dir Vorschuß geben lassen?« fragte sie, praktischen Sinnes. – »Vorschuß? Worauf?« staunte er zurück. – »Irgend etwas ist doch dabei herausgekommen«, lachte sie. »Und morgen sind allerhand Raten fällig. Wenn uns der Straßenbautrupp auch beehrt, das flutscht doch nicht für Monatsende.« – »Wirst mal eben bei der Haushaltsgesellschaft vorsprechen. Bis nächsten Fünfzehnten werden alle Rückstände beglichen sein, auch die gestundeten vom vorigen Jahr. Werd’ ihnen übermorgen ein paar Zeilen vom Wirtschaftsrat Footh darüber zukommen lassen.« – »Wirtschaftsrat?« staunte sie, »wie das klingt! Wird’s wohl auch noch nicht lange sein; die Arbeitsfront ist doch was Schönes! Und was habt ihr nun ausgehandelt?« Alberts Gesicht nahm einen bedrängten Ausdruck an: »Darfst du nicht fragen, darf ich dir auch nicht sagen.« – »Weißt ja«, fügte sie sich, »daß ich nicht neugierig bin. Mal wirst du mir’s schon beibringen.« – »Bist halt meine vernünftige Stine«, sagte er anerkennend, »kannst jetzt ruhig ein paar Kaffeebohnen mehr mahlen. Der im Fährhaus war besser.« – »Wird soviel dabei rauskommen, daß du mich mal ausführen kannst? Ausflug nach Stellingen, zu Hagenbecks Tieren? Da sind ja immer Junge in den Gehegen, Gazellen, Füchse, Bärchen. Nächstens lege ich mir doch ein Hündchen zu oder ’ne kleine Katze, wie die da drüben«, und sie wies mit dem Daumen auf eine gerahmte Postkarte, die neben der Tür zum Laden hing und in angenehmem Buntdruck zwei großäugige Kätzchen zeigte, Schleifchen um den Hals, einen Veilchenstrauß zwischen sich. »Wie denn nicht!« versicherte er. »Alles nach dem Fünfzehnten.« Und dann legte er ihr dar, daß die Aktion gegen die Warenhäuser selbst beim besten Willen der Partei eine gute Weile in Anspruch nehmen werde, daß sie aber eine Zwischenlösung gefunden hätten, über die er eben schweigen müsse. »Mirist alles recht«, nickte sie, »unter einer Bedingung: Rechtlich muß es sein. Mein Albert soll sich nicht gegen Staat und Partei gebrauchen lassen. Damit setzt man sich immer in die Nesseln.« Verwundert hielt er die Hand mit der geleerten Tasse in der Luft an: »Reeder Footh? Gegen Staat und Partei? Ja, Stine, wie glaubst du denn, ist der hochgekommen?« – »Weiß ich all nich«, beharrte sie eigensinnig, »aber es gibt so viele Verordnungen. ›Kanonen statt Butter‹, das kennst du doch. Wenn einer immerfort fremde Häfen ansteuert, läuft leicht mal was Verbotenes unter.« – »Was ich für ihn machen soll, bleibt streng in meinem Beruf; und was kann ein Schlachter schon Illegales anstellen?« – »Finniges Schweinefleisch von Bord seiner Schiffe schmuggeln oder auch an Bord für seine Mannschaft«, mit dem Versuch, ihre Sorge ins Lächerliche zu ziehen. »Sieh, sieh«, er runzelte die Brauen, »hast wohl den Russenfilm noch immer im Kopf, mit dem roten Panzerkreuzer und dem madigen Fleisch. Nee, Stineken, das nich. An Bord deutscher Schiffe kommt nur erstklassiges Futter. Und nun mach ich mich ein bißchen lang. Nach Bier schläfert’s einen; weck mich um vier.« – Damit paßte er sich kunstvoll der Krümmung des Plüschsofas an, gähnte und schloß die Augen. Dem Henker ins Handwerk pfuschen. Nein – rotes Gesindel ausrotten. Wie würde sich Stine damit bloß abfinden? Ihr gegenüber hatte er ja schon so getan, als sei alles in Butter. Nur zusagen mußte er noch. Und während sie hin- und herging, abzuräumen und das Geschirr zu spülen, sah er sonderbarerweise eine russische Landstraße vor sich, gefroren und beschneit, zu deren Rechten und Linken hoch und lückenlos Bäume standen, wie die grauen Häuser der Wandsbeker Chaussee. In der Mitte kniete ein Jude mit einem Bart und streckte verzerrten Gesichtes seinen langen Hals von einem Mann weg, der in Hemdsärmeln ein Beil schwang. Immer ging der Jude voran. »Außerdem war das damals Krieg, und jetzt ist Frieden«, murmelte er vor sich hin. Stine konnte es recht wohl auf den Inhalt von Panzerkreuzer Potemkin beziehen.
    In Wirklichkeit aber versuchte Albert, damit einen Unterschied herzustellen zwischen sich und dem Feldgendarm Ruckstuhl von der Forstabteilung Schaulen. Der hatte wie ein Verrücktergehandelt, auf eigene Faust zugeschlagen. Albert aber würde alles wie der Führer selber machen, streng legal. »Mit Gott für König und Vaterland«

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