Das Beil von Wandsbek
Wetter. Leise getönter Dunst umhauchte die Stadtanlagen und vermittelte gleichsam zwischen ihnen, dem Sonnenlicht, dem klarblauen Himmel. Gott, war das schön, so dazuzugehören, in einem noblen Wagen zu sitzen, von einem feinen Restaurant ins andere gebracht ... Unter den großen Kastanien warteten schon bunt gedeckte Tische. Manchmal schwebte ein Blatt herab und berührte die Wasserfläche, die Schwäne irreführend, die alsbald darauf zuruderten. »Dumme Biester«, sagte Footh, »dürften doch schon längst merken, daß das bloß fauler Zauber ist.« Der Dackel Ebert bellte sie an, machte sie zischen, ihre steilen Hälse ausstrecken; er ward zurückgepfiffen. So verging, kaum bemerkt, eine halbe Stunde. Die Herren in bequemen Gartenstühlen rauchten ihre Zigarren zu Ende, mit Hilfe weißer Papierspitzen nebenbei, genossen den Kaffee, das schöne Wetter. Sie beobachteten einander freundschaftlich. Teetjen rührte gesenkten Blicks im Kaffee: wann denn die Festlichkeit steigen solle. Ohne ein gewisses Training könne er den »Job« nicht übernehmen. (Als gutem Hamburger liefen ihm englische Worte mit Selbstverständlichkeit von der Zunge.) Footh drückte sein Schnurrbärtchen auf die Lippe: gewonnenes Spiel. Beinahe hätte er verraten, wie groß der Dienst war, den Albert da übernahm, und gesagt, das hänge ganz von ihm ab. Statt dessen fragte er, wieviel Zeit zur Übung ein mit dem Beile so gewandter Mann wohl benötige. Zehn Tage reichten doch aus? »Acht«, trumpfte Albert Teetjen. – Frackanzug und Maske aber, falls er sich entschließe, müsse man ihm liefern. Sonst stellten sich die Spesen zu hoch für zweitausend Mark Verdienst. Es gäbe Verleihanstalten für alles, entgegnete Herr Footh. Die Kosten würden getragen werden. Und wenn Albert einverstanden sei, fahre er ihn jetzt nach Hause, die Wandsbeker Chausseehinab schnurre der Wagen in ein paar Minuten, trotz der Röhren und Kabel, die das unvermeidliche Buddelamt der Stadtverwaltung gerade unter dem Asphalt bloßlegte, gleich den Adern und Sehnen eines Körpers. Beinahe hätte er gesagt: eines durchgehackten Judenhalses, an jenen Herrn Ruckstuhl denkend. Aber er vermied es rechtzeitig, Alberts Hemmungen wegen. »Einverstanden?« damit schob er seinen Stuhl zurück. »Einverstanden.« – »In der ganzen Breite?« – »Möchte ich mir erst beschlafen.« – »Beschlaf dir’s gleich, ’s ist knapp halb zwei, in zehn Minuten kannst du pennen.«
Schade, daß Stine mich nicht anrollen sieht, dachte Teetjen, als der graue Mercedes vor der Fleischerei stoppte, sie hat so einen Sinn fürs Feierliche. Leichthin, wie die ganze Unterhaltung geführt worden war, machte Footh den Vorschlag, ihm also heute abend bis neun in Fuhlsbüttel Bescheid zu sagen. Die Nummer stehe unter Z – Zentralgefängnis. »Frag man bloß nach Wirtschaftsrat Footh.« Albert Teetjen riß die Brauen hoch. »Wirtschaftsrat?« staunte er, »Mensch, seit wann denn?« Footh aber lachte vergnügt, winkte vertraulich, Albert Teetjen hob den Arm, der graue Wagen glitt davon.
»Wie eine Katze«, damit trat Frau Stine in die Ladentür, die Augen bewundernd auf dem enteilenden Gefährt. »Komm man rein, Albert, und verzähl mich man. Kriegst auch einen guten Kaffee. Daß es geklappt hat, sieht ja ein Blinder. Nun leist ich mir auch die Boxcalfschuhe.« – Die Türschelle anstellend, zogen sie sich ins Wohnzimmer zurück. Ja, Albert trat sogleich in die verdunkelte Schlafstube, um es sich leichter zu machen. Während Stine der einen Seite des ovalen Tisches mit Kaffeetassen und gestern erzeugtem Klöben ein festliches Aussehen verlieh, ließ der Mann vom Bettrand seine hohen Stiefel ins Zimmer knallen, wand sich aus dem schwarzen Rock und den viel zu heißen Reithosen und wusch sich über dem Waschtisch mit Marmorplatte, in der großen, hohlen Steingutschüssel, die ein Muster von grünen Wasserrosen verschönte. Sich tüchtig abtrocknend, trat er in die Tür: »Was fährst du da alles auf, Ollsch! Wirtschaftsrat Footh hat mich nicht hungern lassen.« – »Und auch nicht blechen«, ergänzte sie. »Jetzt hol ich nur noch die Astern aus dem Schaufenster.Dann bist du dran.« Lila Astern und das mit Gold verzierte Porzellan aus der Biedermeierzeit, das Frau Apotheker Plaut ihrer treuen Stine zur Hochzeit geschenkt hatte, gaben den bemerkenswerten Mittagsstunden dieses letzten Augusttages einen wohlverdienten Ausklang. Wiederum thronte Albert auf dem Sofa von rotem Plüsch, sie diesmal an der
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