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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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Republik neigten wohl dazu, die unseren zu vergessen. Ich fürchte sehr, Anno dreiunddreißig kamen sie zurück. Gehen jetzt unter uns um, lenken unsere Bewegung, haben unser Schicksal längst besiegelt.« Und er griff wiederum zu einem Schnaps, diesmal schottischem Whisky, und Käte Neumeier fragte sich besorgt, ob ihm das gut tun könne. Wie hatte Friedel Timme gesprochen, als sie ihm dergleichen vorgehalten? Wenn man wachen Sinnes sehe, wie die Dinge bei uns liegen, könne man nicht umhin, manchmal zu einem kleinen Kümmel zu greifen. In unserem Klima brauchten die Männer offenbar ihren Tropfen Gift. In harmlosen Dosen oder in der Gestalt von Curare.
    Die Stille dieses Hauses und um ihn bedrängte sie. Nicht einmal Flugzeuge brummten über den Dächern. Ein Sonntagabend, wie er im Buche stand. Sie saßen da beieinander, gleich Mitschuldigen, oder gleich einem Ehepaar, lang verheiratet, in einer fleischgewordenen Übereinstimmung, die wenig Worte brauchte. »Glauben Sie denn wirklich, Doktor, daß hinter den Kulissen solche Machtkämpfe ablaufen? Ist unser Lintze nicht schon angekränkelt von Intrigen?« – »Sie haben keine Ahnung, Käte, wie schauerlich mir zumute ist«, antwortete Herr Koldewey. »So allein wie wir, wir Mitschuldigen, war selten jemand in unserenLanden. Glücklich sind, möcht ich fast sagen, diejenigen, die das Dritte Reich zum Flüchten zwang oder die es noch hinaustreibt.« – »Herr Kley hat sich umgebracht, um diesem Glück zu entgehen.« – »Wahr«, sagte Herr Koldewey, »nicht jeder Mensch ist jedem Glück gewachsen. Als ich jetzt eine Aktie verkaufte, die mich mal 79 Mark kostete, schrieb mir die Bank 310 Mark gut. Segen des Dritten Reiches, würde Herr Footh es nennen.« Käte Neumeier nahm ein Stück bittere Schokolade zwischen ihre schönen, gesunden Zähne und ließ ihre Augen voll tiefer Sympathie auf seinem Gesichte ruhen. Sie wußte gar nicht, daß sie diesem Manne so sehr viel näher gekommen war in den letzten Wochen – näher, als sie je geglaubt. Ein guter Typ, dieser Koldewey, ein nobler Typ, ein Mann, den sein Gewissen nicht in Ruhe ließ – bestes deutsches Gewächs, hamburgisch Gewächs. »Und meinen Sie nun, lieber Freund, dies sage etwas aus über das Heraufkommen dieser Glanzzeit? Erinnern Sie sich noch, wie voriges Jahr der Welt dies glückliche Deutschland gezeigt wurde, als man in Berlin die letzte Olympiade aufzog?« – »Meinen Sie, daß es die letzte war?« fragte Koldewey, an seiner Zigarre saugend. »Die nächste soll 1940 in Tokio steigen, danach aber will Rom das zwanzigjährige Jubiläum seines tausendjährigen Reiches feiern, natürlich auch mit Gästen aus aller Welt und Wettkämpfen, wie sie ›der Griechen Stämme froh vereint‹. Damit wären die nächsten vier Jahre festgelegt – wenn Adolf nicht dazwischenfunkt.« – »Sie machen mir Hoffnung«, rief die Frau und richtete sich wirklich wie erleichtert auf. »Daß Ihre Aktie so steigen konnte und daß sich der Fascio so lange hält, geschieht doch nicht ohne Gottes Segen – des Gottes jenseits der salzigen Gewässer, des kleinen und des großen ... Inzwischen könnte uns ja wirklich etwas von dem Gespenst befreien, das heute abend auf uns lastet.« – »Sehen Sie, Käte«, klagte Herr Koldewey, »jetzt sprechen auch Sie für die Dauer des Dritten Reiches. Jetzt glauben auch Sie, der Krieg wäre das größere Übel.« – »Doktor«, rief Käte und streckte die Arme abwehrend aus. Koldewey aber sog Rauch aus seiner Zigarre, nickte mit seinem langen, schmalen Kopf vor sich hin und sprach mit einer Stimme, halb erstickt, als zöge er eine unwiderrufliche Folgerung: »So rudern wir zwischen Scylla und Charybdisentlang – ein Ungeheuerliches links, ein anderes rechts. Wenn wir Glück haben, schlüpft unser persönliches Schifflein durch, bevor die tödlichen Felsen wieder einmal zusammenschlagen, alles zerschmetternd, was zwischen ihnen steuert. Wir sind Schicksalsgenossen, Käte. – Käte, so hieß meine erste Frau. Es kommt mir beinah so vor, als müßte auch meine zweite diesen Namen tragen. Wie dächten Sie darüber, Dr. Neumeier?« – »Das meinen Sie doch nicht ernst«, antwortete Käte Neumeier. Herr Koldewey nickte mit seinem langen Schädel mehrmals zu ihr hin. »Es ist mir wirklich so, als könnte ich Sie nicht mehr entbehren. Als wäre es absurd, daß Annette Sie nachher in einer anderen Wohnung absetzen soll. Sie brauchen sich ja weder heute noch morgen in diesem Punkte zu

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