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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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stand auf dem Koppelschloß; blitzblankes Messing. »Die Sonne bracht’ es an den Tag« hieß es in einem alten Gedicht aus dem Lesebuch.
III
    Am Abend erfuhr Stine, was Albert die ganze Zeit vergessen hatte, ihr zu erzählen: daß es sich um zweitausend Mark handle. Das waren früher hundert englische Pfund und jetzt gar hundertfünfundsiebzig; dies bar auf den Tisch eröffnete mancherlei Aussichten. Aber schon darum durfte niemand davon etwas erfahren, am wenigsten die Kameraden vom Sturm Preester. Wenn die auch nur was witterten, wollten sie’s teilen oder versaufen. Und dazu war’s denn doch zu schade.
    Teetjens schritten während dieser Unterhaltung gegen halb neun die Wagnerstraße hinab, die Dämmerung hing blau und warm über der Häuserschlucht, und die erleuchteten Wohnungen und Schaufenster mit ihren rötlichgelben Vierecken machten die Straße heimelig, voll freundlich entspannten Feierabends. Albert mußte telephonieren, zog aber diesmal den Automaten des Postamtes vor. »Was sich von der Sache herumsprechen soll, um willen unseres Kredits, ist schon geschehen. Was drüber ist, das wär von Übel.« – Keiner, auch Stine nicht, brauchte zu wissen, daß er im Zentralgefängnis anrief. Die Leute zeigten sich immer wieder als findig, böswillig, kurz: Schandmäuler. Schön dumm, wer ihnen Handhaben bot. Und Stine? Sie war mal früher Adventistin gewesen. Mennonitin, die statt des Sonntags den Sonnabend heilig hielt und in der Bibel forschte. Darum hatte sie seinerzeit die Stelle bei dem Juden Plaut angenommen, dem gesetzestreuen Giftmischer, und so lange behalten. Am liebsten hätte sie früher ja auch ihn, Albert, zum Vegetarismus bekehrt und selber nur Grünzeug gefuttert. Nun, das war ihr nicht gelungen, und schließlich hatte sie ihn sogar geheiratet und liebte ihn immer weiter, einen Gewerbetreibenden, der vom Töten unschuldiger Tierelebte. Widerspruch über Widerspruch. Aber so war der Mensch. Wußte Stine etwas, bevor es geschah, so stand ihre Einbildung in hellen Flammen. Sie hätte sich auf den Kopf gestellt und eine große Sache daraus gemacht. Mit Geschehenem und Gewesenem aber fand sie sich ab, wie alle, die nicht gerade dummerhaft oder verbiestert herumliefen. Und ein Mann, der nicht solch eine Sache allein vierzehn Tage mit sich herumtragen, abmachen, ausführen konnte, war kein Mann. Obendrein handelte es sich diesmal nicht um harmloses Rindvieh, sondern um Untermenschen, verurteilte Pestbazillen, Feinde des Volkes, das ihren Vernichtern in brausenden Sprechchören »Heil« zurief. Schlaf, Stinchen, schlaf, dein Albert ist kein Schaf, summte er gutgelaunt, indes er sie vor der Tür des Postamts in der blauen Dämmerung niedersitzen hieß, selbst aber in einer stahlgläsernen Zelle verschwand, um Zentralgefängnis Fuhlsbüttel aus dem Telephonbuch herauszufischen. Es hing an einer Kette; echt Zuchthaus, spaßte er vor sich hin.
    Als sie nach einer Stunde Spazierens in den öffentlichen Anlagen des ehemaligen Wandsbeker Stadtparks, Liebespaare auf allen Bänken, wieder nach Hause zurückkehrten, auch sie ein altes Liebespaar, erhob sich der abnehmende Mond erst gerade übers flache Land und den wolkenlos schwarzen Horizont. In der Wagnerstraße standen noch viele Fenster offen, schallten aus den Lautsprechern der Wohlhabenderen die leicht geölten Redeströme der Ansager, die in ihren Abendnachrichten ausführlich beschrieben, wie gigantisch die Stadt Nürnberg sich rüstete, den Parteitag zu begehen. Triumphierend vermochte man und dennoch bescheiden aufzuzählen, welche ausländischen Diplomaten und Regierungsvertreter der Führer in Nürnberg empfangen werde, trotz der Greuelhetze verlogener Emigranten und aller den Juden hörigen Organisationen. Vor zwei Jahren hatte auch Albert Teetjen die Ehre gehabt, einem solchen Ereignis beizuwohnen; die Fahrt durch das grüne Frankenland nach einer bis Mitteldeutschland durchschlafenen Nacht hatte sich seinen Kriegserinnerungen würdig angereiht, all jenen Transporten von Altona nach Flandern, von Flandern in die Argonnen, von den Argonnen ins Elsaß, vom Elsaß nach Rumänien und schließlich hinaufnach Ober-Ost. Aus einer Feldzeitung hatte er einen Satz behalten: »Der Deutsche reist im allgemeinen nicht viel, reist er aber, dann meist mit der Flinte auf dem Buckel, und dann pflegt er recht angesehen zu sein.« Das hatte ein Mann mit einem französischen Namen geschrieben und da mußte es stimmen. Damals hatten sie eben noch keine Ahnung von

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