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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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fast von dem Tage an, als es losging. Ihre Großmutter hatte es ihr im Traum nicht etwa gesagt, sondern als eine Selbstverständlichkeit darauf angespielt: Mit Menschenblut ist doch nicht zu spaßen, Stine, weißt du doch. Das geht aus der Wäsche nicht mehr raus, kannst reiben, soviel du willst. Und nimmst du Bleichsoda, so frißt’s dir Löcher, und du kannst durchgucken und grinsen. Und dabei hatte die alte Frau mit ihrem faltigen, braunen Gesicht so sonderbar gelacht, daß ihre Lippen und ihre Nase einschrumpften und ihr freundliches Gesicht sich in einen entfleischten Schädel verwandelte, mit Scheitel und Haube und ohne weniger gutmütig auszusehen als vorher oder im Leben. Daß der Albert offenbar ohne die Spur einer Ahnung an diesem Tatbestand vorübertappte, machte sie fast lachen, wennsie allein in der Küche stand und die Gasflamme beobachtete, die blau aus dem Brenner hervorbrauste. Natürlich hatte er in allem recht gehabt, was er zu diesem Punkte vorgebracht: daß er eben ein Soldat sei, der töten müsse und töten dürfe, im Dienste des Volkes und Staates, die beide nun einmal mit Kommunisten aufzuräumen wünschten. Aber wenn sich der liebe Gott darum nicht kümmerte, wenn er einen Unterschied darin sah, daß der Soldat von seinem Gegner ebensogut totgeschossen werden konnte, wie er dem Feinde entgegentrat, gleich zu gleich, wie bei Spielen auf dem Schulhof, wenn dieser liebe Gott sich nicht reinreden lassen wollte, welcher von den beiden Seiten er den Sieg verlieh, ob den Israeliten oder Amalek, und welchen von den beiden Kämpfern er fallen lassen wollte, den Goliath oder David. Natürlich hatte der Goliath die besseren Chancen, aber den lieben Gott kostete es bloß ein Blinzeln mit einer Wolke oder einem Sonnenblitz, und der Riese sah den Stein nicht, der gegen ihn heransauste. Solange es einem gut ging, oder wenn man unverschuldet im Laufe der Dinge mittrabte, brauchte man sich ja nicht um die Heilige Schrift zu kümmern. Erlag man aber einmal der Versuchung und lökte gegen den Stachel, was sie doch mit ihrem Einfall getan, dann stand alles in ihr drin, niemand natürlich wußte, was Gott vorhatte. Jedermann außerdem konnte sich darauf verlassen, daß der Herr Jesus nicht vergeblich am Kreuz gelitten und die Menschenseele ausgehaucht hatte, deren er sich für die Zeit seines Erdenwandels bedient. Aber daß der Albert sich jetzt abzappelte, eine Verschwörung der Roten um sich sah, die Leute im Stadtviertel am liebsten abgemurkst hätte, das kam ihr alles so bedauerlich vor, so arm und auch so komisch, daß sie ihm kaum gut zuzureden vermochte. Ihre wahren Gedanken konnte sie ihm ja nicht vermitteln, dazu war er ja nicht geeignet, weit davon entfernt. Noch nicht mürbe, noch ein ganz rohes, ungeklopftes Beefsteak. Oh, es würde noch ganz anders kommen. Wenn der liebe Gott sich auf ihren Albert so gut verstand wie sie, dann hatte er ihn nicht umsonst in die grausige Schuld verstrickt, auch der Herr Jesus war ja mal ein Strafgefangener gewesen, von der damaligen SS. gegeißelt worden und verhöhnt und schließlich mit zwei andern hingerichtet, schuldlos wie einLamm. Da war doch anzunehmen, daß er es ihrem Albert nicht gerade leicht machen werde, einem Kameraden seiner Henker von dunnemals. Und wenn er sich noch tiefer in die Eingeweide der Erde verkroch und seine Wünschelrute spielen ließ: Gottes Finger würde ihn finden, und daß sie ihren Mann nicht verließ, das wußte er, hatte er gewußt, lange bevor er sie geschaffen. Nein, mochte sich Albert den Kopf noch so sehr zermartern, diese Sache ging ihren Gang auf Biegen oder Brechen. Vielleicht aber mußte man wirklich noch eine Anzeige von Stapel lassen, denn niemand durfte die Hände in den Schoß legen, bloß weil er sich dem lieben Gott nicht widersetzte.
    Was Gott tut, das ist wohlgetan,
    Es bleibt gerecht sein Wille.
    Wie er fängt meine Sachen an,
    Will ich ihm halten stille.
    Am selben Abend, oder besser in dieser Nacht empfingen sie ein Zeichen, zugleich mit den Bewohnern ganz Hamburgs, ganz Deutschlands bis an die Alpen. Albert war noch einmal auf die Straße gegangen, um sich die Beine zu vertreten, er hatte bei Lehmke gesessen, mit sich gekämpft, ob er den Footh anrufen sollte, dann den Kameraden Vierkant aufgestöbert und mehrere kleine Köhms geschluckt. Eigentlich blieb es vernünftig, sich eine neue Flasche mit nach Hause zu nehmen. Mit solcher Hilfe kam man leichter über diese verdammte Stockung weg. Vierkant hatte mit

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