Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
Vom Netzwerk:
was kam jetzt daran? Wendeten die unerlösten Brüder in der Tschechei ihre Augen und Herzen vergeblich zu uns hin? War die Elbe nicht ein deutscher Fluß – was alle ihre Nebenflüsse einschloß, auch die Moldau? Durften die slawischen Horden ungestraft die deutsche Weichsel beschmutzen, das deutsche Danzig beleidigen, ihr kümmerliches Gdingen zu seiner Konkurrentin ausbauen, auf der deutschen Westernplatte polnische Munition aufstapeln? Der deutsche Kanzler hieß nicht mehr Hermann Müller oder Stresemann. Er nannte sich Adolf Hitler, der unbekannte Gefreite des Weltkrieges, und die deutsche Flagge sah nicht mehr der belgischen ähnlich, mit ihrem Schwarz-rot-mostrich, sie enthielt das alte Schwarz-weiß-rot, aber verjüngt durch die mächtige Ausdehnung der Reichssturmfahne von ehedem und das Hoheitszeichen, das Symbol des Frühlings und der Fruchtbarkeit, das Glückssymbol, mitgebracht aus der arischenUrheimat und nur solange verdrängt, verheimlicht, dem deutschen Volke vorenthalten durch das galiläische Kreuz. Heil Hitler! schrien die Jungens auf der Straße, die Bürger strahlten und wiegten die Köpfe, die Arbeiter nickten anerkennend, wenn sie durch den Tunnel unter der Elbe auf ihre Arbeitsplätze strömten. In Autobussen, auf Fahrrädern, zu Fuß. Das war’n fixen Jung, der Hitler. Allens was recht is. Und unsere Regimenter waren auch dabei, unsere Panzer, Infanterie, Geschütze.
    Zum erstenmal seit einem Jahrfünft fühlte sich Albert Teetjen nicht ganz in Reih und Glied. Daß die Einkünfte des Ladens noch nicht einmal die Kosten des Einkaufs deckten, hatte sich gerade in diesen beiden Wochen als unleugbar erwiesen. Er und Stine mußten mehr von ihrer Ware verzehren, als sie je gewollt. Bald dies, bald jenes zu Barfeys heraufschicken, Lehrer Reitlin für seinen Bello schenken. Nicht nur die Kameraden vom Sturm Preester fehlten, auch das NSKK. Hamburg hatte sich mit seinen Wagen in den Dienst des großen Ernstfall-Manövers gestellt; Kamerad Footh residierte zurzeit in Wien, und Fräulein Petersen am Telephon legte Albert nahe, Mitteilungen, die er etwa zu machen habe, dem Geschäft, das heißt ihr zu übermitteln. Die junge Frau Footh, die Albert beim Tanz im Arm gehalten hatte, diese federleichte, goldene Blüthe, war jüngst ihrem Gatten nachgeflogen, zurzeit holten beide ihre Hochzeitsreise nach, suchten vielleicht Südtirol auf, Oberitalien, Capri – war ihnen doch zu gönnen, nöch? Und wenn Herr Teetjen irgend etwas Wichtiges zu bestellen hatte ...? Er wohnte doch mit ihrem Onkel im gleichen Haus, sie konnte leicht mal vorbeikommen. »Wird uns freuen, Fräulein Petersen«, entgegnete Albert mit erheuchelter Behaglichkeit. »Nee, vorläufig hab’ ich ihm gar nix zu melden, bloß beste Wünsche und gute Erholung und warme Sonne, schönes Wetter.« Und Fräulein Petersen dankte und versprach, das alles wörtlich weiterzugeben.
    Albert kämpfte mit sich während dieser Wochen, ohne ins klare zu gelangen. War es Quatsch, was er mit dem Beil vorhatte? Mußte er nicht viel eher an den Footh herantreten, nun einen Antrag in der Bürgerschaft durchzubringen und das Epa-Kaufhaus in seinem Viertel einfach am Verkauf von Fleischwaren zu verhindern– bevor er sich an den Sturm Preester wandte und mit den Kameraden auf Biegen oder Brechen eine Rettungsaktion für den kleinen Geschäftsmann einleitete, getreu dem unabänderlichen Parteiprogramm? Und da mußte dieser verfluchte Footh mit seiner Kleinen eine Hochzeitsreise nachholen, als ob er die nicht schon lange im Bett gehabt hätte. Freilich, wahr, ihn, Albert ging das nichts an. Es kam ihm nur verflucht unbequem, und der Sturm Preester war weg und blieb weg, und inzwischen fraß die Zeit an seinen Rücklagen. Dieser Müßiggang fiel ihm auf die Nerven. Mit der Wünschelrute war während dieser Matschwochen auch kein Staat zu machen – man brachte nur dreckige Stiefel heim und so gut wie gar keine Resultate. Der Eindruck, den das dämliche Nordlicht auf ihn gemacht hatte, war vielleicht nichts als Kinderei. Es sollte Krieg bedeuten, hatte Tom Barfey Stinen erzählt. Na, und wo blieb der Krieg? Wo steckte Mussolinis Wacht am Brenner? Wer hatte die tschechische Artillerie schon in Wien erblickt? Und gleichwohl hieß die einzige Maßregel, die man schon jetzt in die Wege leiten konnte, Beseitigung des Beils. Eines schönen, brauchbaren, wertvollen Handwerkszeugs, Sheffielder Stahl, mit einem neuen Schaft aus kanadischer Esche. »Wollen doch mal heut abend

Weitere Kostenlose Bücher