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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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und das »junge«, sich an die Wirklichkeit »Drittes Reich« heran, die einen bemüht, es mit dem alten, ewigen Deutschland der Dichter und Denker zu verbinden, ja gleichzusetzen, die anderen, die eingesessenen, an Ort und Stelle verbliebenen, in der schwierigen Lage, Anteil und Mitverantwortung nicht ableugnen zu wollen. Was die beiden Rohmes für Koldewey rätselhaft machte, war ihr unverhohlener Abscheu vor der emigrierten Geistigkeit, der ganzen nichtjüdischen und jüdischen Oberschicht eines öffentlichen Lebens, wenn man sie so nennen wollte. Hatte da eine ihrer Zeitschriften den Mut gehabt, zu behaupten, das ganze literarische Deutschland, soweit es überhaupt von Belang sei, weile jetzt außerhalb des Braunen Reiches; dies bildete den Ausgangspunkt dieses Teils der Nachtgespräche. In der Neuen Zürcher Zeitung waren sie heftig zurückgewiesen worden, diese Herren Emigranten, man hatte ihnen angesehene und verehrungswürdige Namen entgegengeworfen und den Streit nicht so schnell zur Ruhe kommen lassen. Ja, es gab Dichter genug in Deutschland, philosophierende Gelehrte, ein großes naturwissenschaftliches und geistesgeschichtliches Aufgebot erstklassiger Männer und Frauen, auch wenn sich Nobelpreisträger zufällig nicht darunter befanden. Es war nicht die Art der Deutschen, meinte Professor Rohme, den rotgrauen, dicken Schnurrbart greifend, für sich Reklame zu machen. Sie hatten das immer jener Art von wissenschaftlichen Entdeckern überlassen, deren Großtaten sich nach zwanzig Jahren als verdunstet erwiesen. Käte Neumeier, Frau Dr. Koldewey in grauseidenem Abendkleid, die Zigarette zwischen den Lippen, fragte, die grauen Augen weitgeöffnet, ob sich das vielleicht auch auf Einstein und Freud beziehen sollte; der letztere hatte den Nobelpreis nicht bekommen und würde das, einer seiner Äußerungen nach, auch nicht erleben. Mit Hindenburg und Ludendorff e tutti quantisei von den Deutschen nicht Reklame betrieben worden, sondern Götzendienst. Frau Claudia aber wandte das Gespräch geübt beiseite. Ihre Worte bezogen sich vorwiegend auf jenen Nobelpreisträger, der sein literarisches Gebiet anscheinend brachliegen ließ, um sich mit Broschüren und Rundfunkreden auf Politischem hervorzutun, was nun aber doch ihm gar nicht lag. Und was nun mit Justus Langhammer wirklich geschehen sei, hätten Rohmes gern erfahren, da ja früher oder später bestimmt auf Greuelmärchen zu rechnen war. Die Kommunisten offenbar spannten nach Prag, Amsterdam und Paris immer noch westeuropäische Fäden, indes ihnen die osteuropäischen zurzeit durch die rätselhaften Moskauer Prozesse unklar und verwirrt erschienen. Frau Dr. Käte Koldewey, einen neuen Ring am Finger verträumt betrachtend, schrak auf und sagte: »Auch wir wissen ja nichts. Das Dritte Reich vollzieht sich in einem mit Stacheldraht abgeschlossenen Sondergebiet des Deutschen Raumes. Auch wenn sich dieser letztere, dank des ersteren, jetzt bis nach Ungarn und Jugoslawien reckt. Da alle Nervenfäden, Sehnen und Muskelansätze unseres Riesenleibes in diesen engen Machtbereich münden, werden wir alle von dort aus regiert, ohne uns selber autonom bewegen zu können.« – »Wollen Sie denn behaupten«, rief Claudia Rohme, »das deutsche Volk stehe und falle nicht mit Adolf Hitler und seinem Genie?« – »Es wird diesem Volk nichts anderes übrigbleiben«, lächelte Frau Käte. – »Wozu zweierlei zu bemerken wäre«, nickte nun der Bräutigam, der sich über den Streit der Königinnen, wie er es bei sich nannte, freundlich belustigte. »Erstens ist ein Volk immer verantwortlich auch für das, was es mit sich und in seinem Namen geschehen läßt. Ob moralisch, wissen wir nicht; praktisch half es Frankreich anno 71 gar nichts, daß es von Napoleon III. abrückte: mitgefangen, mitgehangen, lachte Bismarck, steckte das Elsaß ein und ließ sie fünf Milliarden Goldfranken blechen, die ja, wie Sie wissen, in ein paar Wochen auf den Tisch des Hauses gezahlt wurden. Was hatte der Bauer an der Loire, der Gymnasialprofessor aus Besançon oder der Weinzüchter in Cassis mit dem Sohn der schönen Hortense Beauharnais zu tun? ’n Dreck, würden die Hiesigen sagen. Aber sie mußten alle mit dran, gradestehen für das, was Eugeniesehrgeiziger Mann angerichtet. Und kein Historiker wendet etwas dagegen ein.« – »Weil ihnen nix einfällt dagegen«, lachte nun auch die neue Frau Dr. Koldewey, die ja dieses ganze Hochzeitsgespräch viel zu ernst nahm. »Dem Karlchen Marx wäre

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