Das Beil von Wandsbek
der Donauschiffahrt beteiligen, so nur in diesem Rahmen. Beabsichtigen wir, uns in einem zukünftigen Kriege der britischen Seekontrolle zu entziehen und Öl auf der inneren Linie aus Rumänien zu holen, so nicht ohne die Hermann-Göring-Werke. Dies war der Standpunkt, auf welchem wir uns vor ein paar Wochen trennten, als Sie, Herr Footh, der tschechischen Entwicklung oder Teilung wegen unten blieben, ich aber schon wieder die Luft unserer Vaterstadt einatmete, die bekanntlich weise macht.«
Herr Footh saß da, durchaus nicht mehr so bequem entkleidet, wie er es früher auf dieser Terrasse geliebt und gehalten, und horchte manchmal hinunter, hinaus auf den Schritt eines gleichsam militärischen Stiefels. Gut und hoch war es mit ihm gegangen – welche Verpflichtung ein Wirtschaftsführer seines Schlages dadurch aufnahm, daß er auf straffe Weise vorwärtskam, begriff er eigentlich erst jetzt. Daß man Erfolg nicht bloß hatte, um ihn zu haben, sondern daß er einen zu immer mehr Erfolg verpflichtete, diesen Gedankengang verdankte er erst seiner kleinen Blüthe, die sich jetzt sogar einen Verbündeten beibezogen hatte in diesem schnittigen und schmissigen, sehr soldatischen Schriftsteller, der das, was Herr Footh bisher ganz naiv betrieben hatte, nämlich Bereicherung, Zuwachs an Macht und Einfluß nannte und eine Theorie dazu entwickelte, die nur leider ihn, Herrn Footh, aus seinem Fahrwasser hinweglotsen wollte, fort von Hermann Göring, dem bewunderten großartigen Kerl und Vorbild und hin zu dem kleinen, etwas schiefen Geisteshelden, dem rheinländischen Dr. Goebbels. Übrigens hätte es ihm nichts ausgemacht, jemanden herunterzuschicken zu dem drolligen Burschen, dem Teetjen, ihn zu fragen, woran es denn hapere und was es gebe.
»Nun sagen Sie mir aber, warum Ihr den Zeitpunkt schon jetzt für gekommen erachtet, meine Selbständigkeit aufzugeben; du weißt doch, Kleine, wann ich dir das erstemal die Frage vorlegte, ob Fusion oder nicht.« Frau Anneliese lächelte: und ob sie das wußte. Von einem der Hocker nahm sie das Heft einer üppig gedruckten und ausgestatteten Zeitschrift zur Hand, von einer Gattung,die man mondän nannte und die es schon zu Zeiten des verblichenen Dr. Stresemann gegeben. Träumerisch ruhte ihr Blick auf üppigen Abbildungen, kunstvoll reproduzierten Photographien aus dem spanischen Kriege, die Ruinen des Städtchens Guernica zeigend, das von deutschen Flugzeugen unterm Befehl eines deutschen Generals für den spanischen Caudillo oder Führer in Trümmer gelegt worden war, den immer deutlicher siegreichen General Franco. Warum sich diese Basken nicht freiwillig unterwarfen, begriff sie nicht; die aber in ihren zertrümmerten Straßen, ausgebrannten Ruinen würden jetzt schon wissen, daß es dumm war, sich dem Stärkeren zu widersetzen und daß man für Dummheit zahlen muß. Konnten diese Basken nicht zeitig genug anfangen zu begreifen, daß der liebe Gott stets bei den stärkeren Bataillonen, den schneller ansausenden Bombern gewesen war und blieb? »Damals«, erwiderte sie und goß Herrn Vierkant goldroten Tee ein, »damals war es wohl noch zu früh. Heute aber ... Schießen Sie los, Herr Vierkant.«
Klaas Vierkant betrachtete voll Sympathie die weißseidene Knäbin, deren rheinische Aussprache von Hamburg noch nicht ganz weggesogen worden war, und die sie für ihn mit dem blendenden, bewunderten Dr. Goebbels verband, außerdem aber auch mit dem Reichsstatthalter, der eine so kühne Karriere gemacht, nachdem ihn seine Feinde in der Partei bereits zu ächten versucht hatten. »Alte Vermögen oder junge Vermögen«, begann er zu entwickeln, »die Macht, die den Vorsprung schon hat oder die ihn aufholen will, einholen, wenn Sie wollen, das ist der ganze Unterschied. Als wir in Wien zusammensaßen, schien der Göring-Konzern für Ihre ›Äuglein‹ bei weitem den meisten Sinn zu zeigen, Herr Footh. Damals riet ich zu gewissen Briefen und Fühlungnahmen. Inzwischen aber hat ein wirklicher Riese Lust bezeigt, uns zu verschlingen, ältestes deutsches Vermögen, das schon im Siebzigerkrieg beide Seiten mit Gußstahlkanonen beliefert hat, der Krupp-Konzern. Und da würde ich treulos werden. Ich ginge mit Krupp.«
»Bei den Göring-Werken schaute mehr Bargeld heraus«, meinte Herr Footh versonnen, »die Kruppleute zahlen mehr in Beteiligungen. Mit Hermann Göring könnte ich schließlich persönlichreden, von Mann zu Mann, von Soldat zu Soldat. Krupp aber – wer steht dahinter? Lauter
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