Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
Vom Netzwerk:
Geheimräte und Exzellenzen alten Schlages, nichts für meiner Mutter ihren Sohn.« – »Du müßtest erst mal ins Rheinland hinüberfahren, Hans, den Wald von Schloten sehen, Quadratkilometer voll Arbeitshallen, die Gießereien, die Walzwerke, Bessemer Birnen, Hunderte von Gleisanlagen, Tausende von Weichen, die Hochöfen – alles das. Ein Gigant, unzerstörbar! Wenn dir doch soviel auf den persönlichen Eindruck ankommt. Ein stolzeres Gefühl kann ich mir gar nicht denken als das, zu Krupp zu gehören – sozusagen seinen Außenhandel darzustellen, seine Fühlfäden, die über die Meere tasten.«
    Sehr begabt, dachte Herr Vierkant. Was in der kleinen Dame alles steckt! »Ich glaube nicht«, kam er ihr zu Hilfe, daß Sie an persönlicher Bewegungsfreiheit einbüßen würden, Herr Footh. Sie wissen doch, wer hier in Hamburg alles dem Krupp-Konzern angeschlossen ist, und brauchen nur herumzufahren und zu fragen. Mannigfaltigkeit in der Einheit, würde es die alte Ästhetik genannt haben, oder Einheit in der Mannigfaltigkeit. Gehört man schon zu den Starken, so am besten zu den Stärksten. Aufsaugung der Kleinen zugunsten der Größeren und der Größten ist das Gesetz des Lebens. Schließlich stellt das Ruhrgebiet die stärkste Zusammenballung deutscher Kräfte dar, die es gibt – wahrscheinlich die stärkste auf dem Kontinent. Heute haben Sie eine Chance: Krupp legt sich eine Tankerflotte zu, die auf seinen eigenen Werften beständig gepflegt und auf der Höhe gehalten werden wird. Die Hermann-Göring-Werke müssen erst beweisen, wer sie sind und was sie können – Krupp aber war, ist und wird sein. Deutschland gebraucht jetzt seine Ellenbogen, passen Sie mal auf. Wir leben in denkwürdigen Jahren, Herr Footh. Sie werden mal sehen, wie die alten Demokratien uns Raum geben, wenn wir ihnen erst mal zurufen: Hallo, wir sind auch noch da. Ich wette, unser Weg zur Weltmacht wird mit kleinen Existenzen gepflastert sein, von Mittelständlern bis zu Mittelstaaten. So allein wachsen die großen Bäume heran, die Jahrtausende überschatten. Wir fangen spät an, müssen vieles nachholen, viel schlucken, leichthändig wird uns der Weg zu unserem Lebensraum nicht freigegeben werden. Wir zerstampfen eine Menge Lebensglück,unsere Opfer schreien Raub und Gewalt, alle Moralisten gackern nur so vor Entrüstung und vergießen womöglich Tränen. Das Leben ist aber kein Gesangverein ›Harmonie‹! Wer es steigern will, muß sich darüber klar sein, und wer Erfolge haben will, es steigern. Um es zu steigern, sind wir auf der Welt. Was aber dabei herauskommt, Herr Footh, ist allerhand Opfer wert, steht für Generationen fest, um es bescheiden auszudrücken, und öffnet den Weg für Generationen. Und zu diesen Wegebahnern muß jedermann gehören, der geheiratet hat, sein starkes Blut in die Zukunft tragen will. Wer sich nicht einordnen will, geht drauf. Das brauche ich Ihnen doch nicht zu verkünden.«
    Hans P. Footh wiegte seinen schweren Schädel. »Da werd ich wohl mal nach Essen hinüberfahren müssen, wenn ihr das so meint. Ganz behaglich ist mir dabei nicht zumute.«
    »Niemand wird angenehmer enttäuscht sein als du«, rief Frau Anneliese aufstrahlend, »und tu es bald. Sonst beginnt womöglich der Beutezug, bevor du dich noch entschlossen hast, und dann sind wir umsonst so früh aufgestanden.« Und sie lachte erlöst auf, mit einem leisen Unterton von Krampf, und warf sich in ihrem bunten Liegestuhl rückwärts, schmal und elastisch wie eine Feder aus Stahl. Klaas Vierkant schaute über die Schulter ihres Gatten auf die zierliche und reizvolle Person und atmete tief; einmal später würde er ihr begegnen, und dann würde es nur sie beide geben. Und vielleicht würden ihm dann Schwingen wachsen, die ihn hinauftragen würden auf die Höhen des Dritten Reiches, des tausendjährigen, um einmal die dicken Worte der Kleinbürger zu gebrauchen. In die Nähe des verehrten kleinen Schrumpfariers mit dem gehemmten Fuß und der blitzenden Intelligenz.
    Herr Footh, an die Ecke der Brüstung getreten und durch die Lücke der beiden Segeltuchwände hinabschauend, wandte sich rückwärts: »Dort geht solch eine verlorene Existenz.« – »Der nicht zu helfen ist«, entgegnete Klaas Vierkant, »diese Mittelständler müssen sich einordnen – nach unten. Es findet sich keine selbständige Marktbude mehr für Gevatter Schneider und Handschuhmacher. Organisation, meine Herren, Eintritt in Reih und Glied.«
    »Aber lassen Sie ihn nicht ganz

Weitere Kostenlose Bücher