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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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aus Litauen, der Gefreite Teetjen, wenn Sie noch wissen, wer das ist.«
    »Aber wie denn nicht«, rief Herr Ruckstuhl. »Sind doch zusammen im gleichen Abteil damals nach Berlin gefahren, als mich die Unteroffiziere auf dem Fußboden schlafen ließen und ihn im Gepäcknetz.« Und er lachte schallend, klatschte sich auf den Schenkel, freute sich, daß dem Teetjen so geholfen wurde, aus den unvermeidlichen Schwierigkeiten herauszukommen, mit denen sich der kleine Mann jetzt leider abzuquälen hatte. Wo konnte man den anrufen? In Lehmkes Bierstube? Fräulein Blüthe wußte die Nummer? Wurde gemacht. Herr Ruckstuhl rieb sich die Hände und schlug Herrn Footh vor, er werde ihm die Verhandlungen im Reichsmarineministerium abnehmen oder ersparen. Eine Anleihe der Arbeiterbank vom Konto »Kraft durch Freude« zum Ankauf der drei Thetisschiffe ließ sich nicht nur rechtfertigen, sie war vielmehr geboten. Mit den Marineonkels brachte dann die Bank den Fall am besten telephonisch ins Gleiche, und Herr Footh konnte ruhig in sein Kontor zurückkehren, wo man ihn doch offenbar nur schwer entbehrte. Es werde nur nötig sein, daß er sich in ein paar Tagen beim Reichsstatthalter melden ließ und ihm zu gegebener Stunde auch den Parteigenossen Teetjen vorstellte, sobald über den Besuch des Führers von seiten der Reichskanzlei das Nötige veranlaßt wurde. »Zerbrechen Sie sich nur schon den Kopf, PG., wie Sie Ihre drei neuen Tanker benennen, damit sie in Ihre Namensliste passen.« – »Ruckäuglein« sagte Herr Footh, »Blühäuglein und ... das dritte findet sich auch.« – »Brautäuglein» dachte er, indes er aufstand.

Fünftes Kapitel
Der Mensch lebt nicht von Brot allein
    Lehmkes wußten durchaus, was sie ihrem Telephon zu verdanken hatten; in früheren Zeitaltern hätten sie es einen Tempel der Fama genannt und dieser Göttin Opfer dargebracht, welche freilich die Telephongebühren inzwischen würdig ersetzten. Aber wieviel wog eine solche Monatsrechnung, verglichen einerseits mit der baren Einnahme, die für jedes Gespräch erlegt wurde, anderseits dem Gefühl, im Innern eines Nachrichtennetzes zu sitzen, auch wenn sich die verschiedenen Unterhaltungen der sichtbaren Gäste mit den unsichtbaren nicht lückenlos aneinanderfügten. Wissen ist Macht, steht in den Lehrbüchern; für Frau Lehmke aber, wie für viele Menschen ihrer Art, war Wissen auch Genuß und eingeweiht sein eine Art Orden einer Loge. »Was der Albert mit Fuhlsbüttel so viel zu tun hat ... andauernd dieselbe Nummer«, sagte sie und stopfte mit blauer Wolle einen zerrissenen grauen Strumpf, den Herr Lehmke »für den Hacken« viel zu lange getragen hatte. Talergroß, dachte sie ärgerlich. »Tja«, entgegnete Lehmke, der die Zeitung las, aber dennoch mit halbem Ohr ein Gespräch verfolgen konnte, »hat doch der Wünschelrutendoktor dort zu wohnen. Gefängnisarzt möcht ich auch nicht sein.«
    »Warum nicht«, fragte Frau Lehmke, »jetzt sitzt mancher, der früher nicht einmal davon geträumt hat. Sind ja so viele Betriebe arisiert worden, wie sie’s jetzt nennen, die früheren Inhaber mußten erst weich gemacht werden. Was da an Steuerschiebungen ans Licht kam, Volksbetrug auf der ganzen Linie. Und die Leute bringen doch ihre Krankheiten mit ins Kittchen. Zucker, Blinddarm. ›Blinddarm, Blinddarm, du mein Vergnügen, Blinddarm, Blinddarm, du meine Lust‹«, summte sie. Frau Lehmke lebte in ständiger Besorgnis, ihr müßte bald einmal dieser überflüssigste Teil des menschlichen Systems herausgeschnitten werden. »Der Doktor will in Albert ja Talent zum Rutengänger entdeckt haben«, erklärte Lehmke, indem er den Finger, seinen kräftigen, schwarzumrandeten Zeigefinger, auf der Nachricht hielt, dem Aufsatz vielmehr, den er gerade studierte. Mußte da doch einVortrag im Logensaal wiederholt werden, weil das erstemal Luftschutzübung dazwischenfunkte. Seither dicke Freundschaft zwischen Albert und dem Doktor, der übrigens ein menschenfreundlicher Mann ist. Will unsere Straße nächstens nach schädlichen Bestrahlungen untersuchen, ob unsere Betten richtig stehen und wir auch was vom Schlafen haben.«
    »Alberts Betten stehen richtig«, meinte Frau Lehmke, in die Luft hineinsprechend. Ihr Gatte aber hatte keine Lust, auf das Thema Stine einzugehen, das jetzt unvermeidlich über den Wassern schwebte. »Was wir bloß machen werden, wenn uns die Sowjets nicht gutwillig die Ukraine herausgeben, das Donetzbecken und die Häfen am Schwarzen Meer, damit wir

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