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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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die sie sonst so virtuos und selbstsicher gehandhabt hatte, erschienen ihr auf einmal zusammenhangslos und fragwürdig. Und sich auf die Verbindung zwischen ihnen zu konzentrieren fiel ihr zunehmend schwerer ... Früher hatte sie das so selbstverständlich wie Laufen, Singen oder Geschichtenerzählen vermocht, wie etwas ganz Natürliches. Jetzt kostete es sie große Mühe. Immer wieder verlor sie den Faden. Aber sie durfte doch nicht aufgeben, weil sonst alles verloren war...
    »Es ist nicht mehr weit«, sagte sie schließlich. »Wir müssen auf viele Gefahren gefasst sein - auf eine Schlacht und ... Aber jetzt erreichen wir gleich die richtige Stelle. Am Ende des Tunnels kommt eine große, glatte Felsplatte, über die Wasser läuft. Dort öffnest du das Fenster.«
    Die Geister drängten sich kampflustig voran, und Lyra spürte Lee Scoresby neben sich.
    »Lyra, Mädel«, sagte er, »jetzt dauert es nicht mehr lang. Wenn du den alten Bären siehst, sag ihm, dass Lee noch einmal gekämpft hat. Und wenn die Schlacht vorbei ist, habe ich alle Zeit der Welt, mich im Wind treiben zu lassen und nach den Atomen zu suchen, die Hester waren oder meine Mutter aus Texas oder meine Geliebten - meine vielen Geliebten ... Lyra, Kind, du ruhst dich aber aus, wenn das alles vorbei ist, hast du verstanden? Das Leben ist eine wunderbare Sache, und der Tod hat ein Ende ...«
    Seine Stimme verging. Lyra wollte ihn umarmen, aber das war natürlich unmöglich. Also blickte sie die bleiche Gestalt nur fest an, und der Geist sah ihre Augen leuchten und fühlte sich gestärkt.
    Auf Lyras und Wills Schulter saßen die beiden Gallivespier. Ihr kurzes Leben näherte sich dem Ende. Sie spürten schon, wie Arme und Beine sich versteiften und ihnen kalt ums Herz wurde. Bald würden sie in die Welt der Toten zurückkehren, diesmal als Geister, doch gelobten sie sich mit einem Blick, dass sie so lange wie möglich bei Will und Lyra ausharren und kein Wort über ihren bevorstehenden Tod verlieren würden.
    Stumm kletterten die Kinder weiter. Sie hörten ihren keuchenden Atem, ihre schweren Schritte und die kleinen Steinchen, die sie lostraten. Ihnen voraus stieg schwerfällig und grimmig schweigend die Harpyie. Ihre Flügel hingen müde herunter, und ihre Krallen scharrten über den Boden.
    Dann hallte ein neues Geräusch durch den Tunnel, ein regelmäßiges Tropfen, das in ein immer schnelleres Tröpfeln und schließlich Plätschern überging.
    »Hier!«, rief Lyra. Sie streckte die Hand aus und berührte einen glatten, nassen und kalten Felsen, der ihnen den Weg versperrte. »Hier ist es.«
    Sie wandte sich an die Harpyie.
    »Du hast mich gerettet«, sagte sie, »und du hast versprochen, alle Geister, die durch die Welt der Toten kommen, in das Land zu führen, in dem wir gestern übernachtet haben. Und da dachte ich mir, es ist falsch, dass du keinen Namen hast. Das kann so nicht weitergehen. Also dachte ich, ich gebe dir einfach einen Namen, so wie König Iorek Byrnison mich Listenreich genannt hat. Ich nenne dich Sanfter Flügel. So heißt du jetzt und für alle Zeiten.«
    »Eines Tages«, erwiderte die Harpyie, »werde ich dich wieder sehen, Lyra.«
    »Und weil ich weiß, dass du da bist, werde ich dann keine Angst haben«, sagte Lyra. »Auf Wiedersehen, Sanfter Flügel, bis ich sterbe.« Sie umarmte die Harpyie, drückte sie fest an sich und küsste sie auf beide Wangen.
    »Kommen wir jetzt in die Welt von Lord Asriels Republik?«, fragte Chevalier Tialys.
    »Ja«, antwortete Lyra. »Dem Alethiometer zufolge befinden wir uns in der Nähe seiner Festung.«
    »Dann lass mich zu den Geistern sprechen.«
    Lyra hielt ihn hoch. »Hört mir zu«, rief der kleine Spion, »denn Lady Salmakia und ich sind die Einzigen von uns, die diese Welt kennen. Auf dem Gipfel eines Berges steht eine Festung, und in ihr hat Lord Asriel sich verschanzt. Wer sein Gegner ist, weiß ich nicht. Lyra und Will haben jetzt nur eine Aufgabe: ihre Dæmonen zu finden. Wir müssen ihnen dabei helfen. Lasst uns mit all unseren Kräften für dieses Ziel kämpfen.«
    Lyra drehte sich zu Will um.
    Der Junge nickte. »Ich bin bereit.«
    Er nahm das Messer und sah dem Geist seines Vaters, der neben ihm stand, noch einmal in die Augen. Die Zeit des Abschieds stand bevor. Wie schön es gewesen wäre, wenn auch seine Mutter hätte dabei sein können, dachte Will, wenn sie jetzt zu dritt
    »Will«, rief Lyra aufgeregt.
    Er hielt inne. Das Messer steckte in der Luft fest. Der Junge ließ

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