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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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die Klinge los und da hing sie, eingeklemmt in die Materie einer unsichtbaren Welt. Er atmete tief aus.
    »Fast hätte ich -«
    »Ich habe es gemerkt«, fiel Lyra ihm ins Wort. »Sieh mich an, Will.« Der Junge sah ihre Haare, die in dem fahlen Licht schimmerten, ihren energischen Mund und ihre vertrauensvoll ihm zugewandten Augen, spürte ihren warmen Atem und roch den vertrauten Geruch ihrer Haut. Das Messer ließ sich herausziehen.
    »Ich versuche es noch einmal«, sagte Will.
    Er konzentrierte sich auf das Messer, ließ seine Gedanken in die Spitze wandern, tastete, zog die Klinge wieder zurück, suchte erneut und hatte dann den Spalt gefunden. Hinein, zur Seite, nach unten und wieder zurück. Dicht drängten sich die Geister hinter ihnen. Will und Lyra spürten sie wie lauter kleine Kälteschauer, die durch ihre Körper liefen. Dann zog Will den letzten Schnitt.
    Ohrenbetäubender Lärm schlug ihnen entgegen und mit ihm grelles Licht. Geister und Kinder mussten die Augen schließen und konnten einige Augenblicke lang nichts sehen. Nur den Lärm hörten sie mit schrecklicher Deutlichkeit, dumpfe Schläge, Explosionen, Gewehrsalven und Schreie.
    John Parrys Geist und der Geist von Lee Scoresby hatten sich als Erste wieder gefasst. Beide waren als kampferprobte Soldaten nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Will und Lyra starrten nur verwirrt und wie gelähmt vor Angst auf den Anblick, der sich ihnen bot. Raketen explodierten in der Luft und Stein- und Metalltrümmer regneten über die Flanken des Berges, der in einiger Entfernung vor ihnen aufragte. Am Himmel kämpften Engel gegeneinander, und Hexen flogen mit dem lauten Kriegsgeheul ihrer Clans durch die Luft und überschütteten die Gegner mit Pfeilhageln. Ein Gallivespier auf einer Libelle griff eine Flugmaschine an, deren menschlicher Pilot ihn mit den Händen abzuwehren versuchte. Der Reiter sprang von der durch die Luft heranschießenden Libelle und stieß seine Sporen tief in den Hals des Piloten. Dann glitt das Insekt neben ihn und ließ ihn wieder auf seinen leuchtend grünen Rücken aufspringen. Die Flugmaschine raste dröhnend in einen Felsen am Fuß der Festung.
    »Vergrößere das Fenster«, rief Lee Scoresby. »Lass uns raus!«
    »Augenblick, Lee«, sagte John Party. »Da passiert noch etwas - da drüben.«
    Will schnitt ein zweites kleines Fenster in die Richtung, in die sein Vater zeigte. Sie sahen hinaus und erkannten, dass die Schlacht eine Wendung nahm: Die Angreifer zogen sich zurück. Eine Einheit gepanzerter Fahrzeuge blieb stehen, drehte unter Feuerschutz von weiter hinten schwerfällig um und fuhr zurück. Ein Geschwader Flugmaschinen, das in einem heftigen Gefecht mit Lord Asriels Gyroptern soeben die Oberhand gewonnen hatte, machte am Himmel kehrt und flog in Richtung Westen davon. Metatrons Bodentruppen Schützenkolonnen, ausgerüstet mit Flammenwerfern, mit Gift versprühenden Kanonen und mit Waffen, wie sie keiner der Zuschauer je gesehen hatte - hörten auf zu kämpfen und zogen sich zurück. »Was ist denn da los?«, fragte Lee. »Sie räumen das Feld, aber warum?«
    Es schien keinen Grund dafür zu geben. Lord Asriels Soldaten waren zahlenmäßig unterlegen, hatten die schwächeren Waffen und viele von ihnen lagen verwundet auf dem Schlachtfeld.
    Will spürte, wie unter den Geistern plötzlich Bewegung aufkam. Sie zeigten auf etwas, das in der Luft trieb.
    »Gespenster!«, rief John Party. »Das ist der Grund.«
    Und zum ersten Mal bildeten Will und Lyra sich ein, die Gespenster zu sehen, flimmernde Gazeschleier, die wie Distelwolle vom Himmel herabsanken. Allerdings waren die durchsichtigen Schemen, sobald sie den Boden erreicht hatten, kaum noch zu erkennen.
    »Was tun sie?«, fragte Lyra.
    »Sie greifen den Schützenzug dort an -«
    Will und Lyra wussten, was gleich passieren würde. »Rennt weg!«, schrien sie aufgeregt. »Schnell!«
    Einige Soldaten hörten die nahen Kinderstimmen und drehten sich verblüfft um. Andere, die ein Gespenst auf sich zukommen sahen, eine bizarre, körperlose Erscheinung, hoben die Gewehre und feuerten, doch natürlich vergeblich. Und dann war das Gespenst bei dem ersten Soldaten angelangt und griff ihn an.
    Der Mann, ein Afrikaner, stammte aus Lyras Welt. Sein Dæmon, eine langbeinige gelbbraune und schwarz gepunktete Katze, fletschte die Zähne und duckte sich zum Sprung. Die Kinder und Geister verfolgten, wie der Mann furchtlos, ohne einen Schritt zurückzuweichen, das Gewehr anlegte - wie sein

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