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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Kinder gesprochen habe.
    »Sie haben heute nach ihnen gesucht«, berichtete Mary, »aber irgendetwas anderes muss geschehen sein. Will hatte seinen Dæmon nie wirklich gesehen, ausgenommen auf der Flucht nach der Schlacht und dann auch nur für einen kurzen Augenblick. Er war sich nicht einmal sicher, überhaupt einen Dæmon zu besitzen.«
    »Der Junge besitzt einen, gar keine Frage. Sie übrigens auch.« 
    Mary starrte die Hexe an.
    »Wenn Sie ihn sehen könnten«, fuhr Serafina fort, »hätten Sie das Bild eines Vogels mit schwarzem Federkleid, roten Beinen und hellgelbem, leicht gekrümmtem Schnabel vor sich. Ein Gebirgsvogel.« 
    »Eine Alpendohle ... Und wie können Sie meinen Dæmon sehen?« 
    »Mit halb geschlossenen Augen kann ich ihn sehen. Hätte ich mehr Zeit, würde ich Ihnen beibringen, Ihren Dæmon und den anderer Menschen aus Ihrer Welt wahrzunehmen. Für uns ist es eine seltsame Vorstellung, dass die Menschen ihren Dæmon nicht sehen können.« 
    Dann vertraute sie Mary an, was sie den beiden Vögeln gesagt hatte und was das genau bedeutete.
    »Und die Dæmonen müssen das Will und Lyra offenbaren?«, sagte Mary.
    »Ich dachte zuerst daran, die Kinder aufzuwecken und es ihnen selbst zu sagen. Dann überlegte ich mir, ob ich Sie ein weihen sollte, um Ihnen gleich die Verantwortung zu übertragen. Aber dann sah ich die Dæmonen der Kinder und wusste, dass das die beste Lösung sein würde.«
    »Die beiden lieben sich.«
    »Ich weiß.«
    »Sie haben es gerade erst entdeckt ...«
    Mary versuchte, das, was Serafina ihr mitgeteilt hatte, in allen Konsequenzen zu durchdenken, doch fiel ihr das noch viel zu schwer. Nach einer Minute fragte sie: »Können Sie Staub sehen?«
    »Nein, ich habe nie welchen erblickt. Bis zum Ausbruch der Kriege hatten wir nicht einmal davon gehört.«
    Mary holte das Bernstein-Teleskop aus der Tasche und reichte es der Hexe. Serafina setzte sich das Gerät ans Auge und jauchzte entzückt. »Das ist Staub ... so etwas Schönes!«
    »Schauen Sie einmal zu dem Baum hinüber, unter dem die Kinder liegen.«
    Serafina tat, wie ihr geheißen, und wunderte sich gleich noch einmal: »Haben die beiden das getan?«, fragte sie.
    »Irgendetwas ist heute geschehen, oder gestern, falls wir schon nach Mitternacht haben«, begann Mary, nach Worten suchend, wie sie es erklären sollte. Dann erinnerte sie sich an ihren Vergleich der Staubströmung mit einem großen Fluss wie dem Mississippi. »Etwas Unscheinbares, aber doch Entscheidendes ... Wenn man einen gewaltigen Strom umlenken wollte, aber nur einen einzigen Kieselstein zur Verfügung hätte, dann könnte man dennoch Erfolg haben, vorausgesetzt, man legte den Kieselstein an die richtige Stelle, so dass das erste Rinnsal in diese und nicht in jene Richtung fließt. So etwas ist gestern geschehen. Was das genau gewesen ist, weiß ich nicht. Will und Lyra haben sich plötzlich mit anderen Augen gesehen oder etwas in der Art ... Bis dahin hatten sie nicht dieses Gefühl füreinander, und dann war es plötzlich da. Damit haben sie den Staub so mächtig angezogen, dass er aufhörte, von uns wegzuströmen.«
    »So sollte es also kommen!«, wunderte sich Serafina. »Und jetzt ist alles wieder heil, oder wird es sein, sobald die Engel das große Loch in der Unterwelt gefüllt haben.«
    Sie berichtete Mary von dem Abgrund und wie sie ihn selbst entdeckt hatte.
    »Ich flog sehr hoch«, erzählte die Hexe, »und hielt nach einem Landeplatz Ausschau. Da traf ich einen Engel, einen weiblichen Engel. Sie verblüffte mich, weil sie zugleich alt und jung aussah.« Serafina vergaß über ihrer Erzählung, dass dies auch genau der Eindruck war, den sie auf Mary machte. »Ihr Name war Xaphania. Sie wusste mir viel zu berichten ... So sagte sie, die ganze Menschheitsgeschichte sei ein Kampf zwischen Weisheit und Torheit gewesen. Xaphania und die rebellierenden Engel, die den Pfad der Weisheit gingen, hätten sich immer darum bemüht, den Geist offen zu halten, wo hingegen der Allmächtige und seine Kirchen alles getan hätten, ihn zu verschließen. Sie gab mir dafür viele Beispiele aus ihrer Welt.«
    »Ich könnte viele aus meiner anführen.«
    »Die meiste Zeit über musste die Weisheit im Geheimen wirken, durfte ihre Worte nur flüstern und sich wie ein Spion zwischen bescheidenen Hütten bewegen, während ihre Feinde in den Palästen residierten.«
    »Ja«, pflichtete Mary bei, »das kenne ich auch.«
    »Und der Kampf ist noch nicht zu Ende, auch wenn die

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