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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Armee des Himmelreichs einen Rückschlag erlitten hat. Sie wird sich unter einem neuen Oberbefehlshaber wieder sammeln und mit Macht wiederkehren. Deshalb müssen wir zum Widerstand bereit sein.«
    »Was ist mit Lord Asriel geschehen?«, wollte Mary wissen. 
    »Er kämpfte mit dem Regenten des Himmelreichs, dem Engel Metatron, und zog ihn hinab in den Abgrund. Mit Metatron ist es aus, aber auch mit Lord Asriel.«
    Mary hielt den Atem an. »Und Mrs. Coulter?«
    Als Antwort holte die Hexe einen Pfeil aus ihrem Köcher. Mit Bedacht wählte sie den besten und geradesten, einen vollkommen austarierten.
    Und dann brach sie ihn entzwei.
    »In meiner Welt habe ich diese Frau einmal eine Hexe foltern sehen«, berichtete Serafina. »Damals schwor ich mir, ihr diesen Pfeil in den Hals zu schießen. Das geht nun nicht mehr. Sie hat sich gemeinsam mit Lord Asriel im Kampf gegen die Engel geopfert, damit die Welt für Lyra
    sicher werde. Jeder für sich hätten sie keinen Erfolg gehabt, aber gemein sam haben sie es geschafft.«
    »Wie sollen wir das Lyra sagen?«, fragte Mary bekümmert. 
    »Warten wir, bis sie selber fragt«, antwortete Serafina. »Vielleicht fragt sie uns gar nicht. Auf jeden Fall hat sie ihren Apparat, mit dem sie Symbole lesen kann. Durch ihn kann sie alles erfahren, was sie wissen will.«
    Sie saßen eine Weile schweigend wie Gefährtinnen nebeneinander, während über ihnen die Sterne am Himmel weiterzogen.
    »Können Sie in die Zukunft schauen und sagen, wofür sich die beiden entscheiden werden?«, fragte Mary.
    »Nein, aber wenn Lyra in ihre Welt zurückkehren sollte, dann will ich ihr ein Leben lang eine Schwester sein. Und was haben Sie vor?« 
    »Ich ...«, setzte Mary an, ertappte sich aber dabei, dass sie überhaupt noch nicht daran gedacht hatte. »Ich nehme an, dass ich in meine Welt gehöre. Also werde ich diese Welt hier leider verlassen müssen. Ich habe hier eine glückliche Zeit verbracht, die glücklichste meines ganzen Lebens, so scheint mir.«
    »Wenn Sie wirklich in Ihre Welt heimkehren, werden Sie eine Schwester in einer anderen Welt haben«, versicherte ihr Serafina, »und ich ebenfalls. Wir treffen uns alle wieder, wenn das Schiff ankommt. Auf der Heimreise können wir über alles ausgiebig sprechen, aber dann werden wir für immer Abschied nehmen. Und nun: Umarme mich, Schwester.«
    Mary umarmte sie. Serafina Pekkala nahm ihren Wolkenkiefernzweig und flog davon über Röhricht und Marsch, über Tümpel, den Strand und das Meer, bis sie aus Marys Blickfeld entschwunden war.
     
     
    Etwa zur gleichen Zeit stieß eine von den großen blauen Eidechsen auf Pater Gomez' Körper. Will und Lyra, die am Nachmittag auf einem anderen Weg ins Dorf zurückgekehrt waren, hatten die Leiche nicht gesehen. Der tote Geistliche lag unberührt immer noch dort, wo Balthamos ihn zurückgelassen hatte. Die Eidechsen waren Aasfresser, aber harmlose, friedliche Tiere. Von alters her bestand zwischen ihnen und den Mulefa ein stilles Abkommen, wonach die Eidechsen jeden liegen gelassenen Kadaver nach Anbruch der Dunkelheit mitnehmen durften.
    Das Tier schleppte die Leiche des Geistlichen in sein Nest und seine Kinder taten sich daran gütlich. Was das Gewehr betraf, so blieb es an der Stelle im Gras, wo Pater Gomez es hingelegt hatte, und begann Rost anzusetzen.

Die Dünen
     
     

    Am folgenden Tag gingen Will und Lyra wieder allein fort, weil sie ungestört zusammen sein wollten. Sie wirkten benommen, als ob ihnen der Verstand durch irgendeine glückhafte Katastrophe geraubt worden wäre, und schlenderten dahin, ohne viel zu reden oder auf das zu achten, was ihre Augen sahen.
    Die beiden verbrachten den ganzen Tag in der weiten Berglandschaft. Während der nachmittäglichen Hitze zogen sie sich in das golden und silbern glänzende Wäldchen zurück, redeten miteinander, badeten, aßen, küssten sich - und in ihrer Seligkeit flüsterten sie Worte, deren Klang so undeutlich war wie ihr Sinn. Doch sie fühlten, dass sie in Liebe dahinschmolzen.
    Gegen Abend saßen sie wieder still mit Mary und Atal beim Essen. Da die Luft immer noch heiß war, beschlossen sie, hinunter zum Meer zu gehen, wo sie sich eine kühle Brise erhofften. Sie folgten dem Fluss, bis sie auf den weiten, im Mondlicht schimmernden Sandstrand kamen, wo das Wasser nach der Ebbe wieder anstieg.
    Will und Lyra ließen sich am Fuß einer Düne im weichen Sand nieder, und dann hörten sie den ersten Vogel singen.
    Beide drehten die Köpfe, denn

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