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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Spitze so unendlich fein war. Doch für Staub war der Spalt groß genug, um auszuströmen. Wenn man die Öffnung gleich wieder schloss, konnte nicht viel verloren gehen, doch existieren Tausende, die nie wieder verschlossen wurden. Die ganze Zeit über ist Staub durch diese Öffnungen aus den Welten ausgetreten und hat sich im Nichts verloren.«
    Nun ging Will und Lyra die ganze Wahrheit auf. Sie wehrten sich anfangs dagegen, doch wie das graue Morgenlicht, das am Himmel aufzieht und die Sterne zum Verlöschen bringt, so setzte sich die Wahrheit über alle Barrieren hinweg, die sie gegen sie errichten konnten.
    »Jedes Fenster«, flüsterte Lyra.
    »Muss jedes wieder verschlossen werden?«, fragte Will.
    »Jedes einzelne«, antwortete Pantalaimon im gleichen Flüsterton wie Lyra.
    »Oh nein«, jammerte Lyra, »das kann doch nicht wahr sein -«
    »Und daher müssen wir unsere Welt verlassen und in Lyras bleiben«, sagte Kirjava, »oder Pan und Lyra verlassen ihre Welt und bleiben in unserer. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«
    Dann brach das graue Tageslicht über sie herein.
    Lyra schrie auf. Pantalaimons Eulenschrei hatte in der vergangenen Nacht jedes Nachttier aufgeschreckt, das ihn hörte, doch war er nicht mit der leidenschaftlichen Klage vergleichbar, die Lyra nun anstimmte. Die Dæmonen waren verstört und Will verstand sogleich, warum: Sie kannten noch nicht die ganze Wahrheit, wussten noch nicht, was Will und Lyra ihrerseits erfahren hatten.
    Lyra zitterte vor Zorn und innerer Qual. Mit geballten Fäusten ging sie auf und ab und schaute mit tränennassem Gesicht hierhin und dorthin, als ob sie nach einer Antwort Ausschau hielte. Will sprang auf und packte sie an den Schultern, und da spürte er, wie angespannt sie war.
    »Hör zu«, beschwor er sie. »Lyra, was hat mein Vater gesagt?«
    »Oh«, rief sie und schüttelte wild den Kopf, »er sagte - aber du weißt doch, was er sagte, du warst selbst dabei, Will, und hast zugehört!«
    Er fürchtete, sie würde hier und jetzt vor Kummer sterben. Sie warf sich ihm schluchzend in die Arme, umklammerte seine Schultern, grub ihre Fingernägel in seinen Rücken und presste ihr Gesicht gegen seinen Hals, und dabei rief sie immer wieder: »Nein - nein - nein.«
    »Hör doch«, begann er wieder, »Lyra, versuchen wir uns doch genau zu erinnern. Vielleicht finden wir einen Ausweg, vielleicht gibt es irgendwo ein Schlupfloch.«
    Der Junge löste sanft ihre Arme und bat sie, sich zu setzen. Sogleich floh Pantalaimon erschrocken in ihren Schoß, während sich der Katzen-Dæmon vorsichtig Will näherte. Bisher hatten sie sich noch nicht berührt, doch nun streckte er die Hand nach ihr aus und sie reckte ihm das Katzen-Schnäuzchen entgegen und sprang dann vorsichtig in seinen Schoß.
    »Er sagte«, begann Lyra schluckend, »er sagte, dass Menschen eine bestimmte Zeit in anderen Welten verbringen könnten, ohne Schaden zu nehmen. Sie könnten. Und wir haben das ja auch getan. Abgesehen von dem, was wir im Land der Toten durchmachen mussten, sind wir immer noch gesund, oder?«
    »Sie können eine kurze Zeit, aber nicht für lange bleiben«, sagte Will. »Mein Vater war zehn Jahre lang von seiner, also auch meiner Welt, getrennt und lag beinahe schon im Sterben, als ich ihm begegnete. Zehn Jahre, mehr nicht.«
    »Aber wie war es mit Lord Boreal? Sir Charles? Er war doch noch ziemlich gut beieinander.«
    »Ja, aber erinnere dich. Er konnte jederzeit in seine Welt zurückkehren und sich regenerieren. Dort, in deiner Welt, haben wir ihn auch angetroffen. Er muss ein geheimes, nur ihm bekanntes Fenster entdeckt haben.«
    »Nun, das könnten wir ja auch!«
    »Ja, gewiss, bloß dass ... «
    »Alle Fenster müssen wieder verschlossen werden«, sagte Pantalaimon. »Alle ohne Ausnahme.«
    »Aber woher weißt du das?«, fragte Lyra.
    »Ein Engel hat es uns gesagt«, antwortete Kirjava. »Wir haben einen Engel getroffen. Sie lehrte uns das und vieles andere. Das ist die Wahrheit, Lyra.«
    »Sie?«, fragte Lyra argwöhnisch.
    »Ja, es war ein weiblicher Engel.«
    »Davon habe ich noch nie gehört. Vielleicht hat sie ja gelogen.«
    Will dachte noch eine andere Möglichkeit durch.
    »Angenommen, alle anderen Fenster werden verschlossen«, sagte er, »und wir öffneten immer nur eines, wenn wir es brauchten, stiegen so rasch wie möglich hindurch und verschlössen es sofort wieder. Das ginge doch. Wenn wir dem Staub kaum Zeit ließen, auszuströmen.«
    »Ja.«
    »Wir würden es dort

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