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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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nichts. Tialys nahm das Gleiche bei seiner Libelle vor, schnallte ihr vorsichtig die Gurte um und zog sie fest. Das Tier würde das Zaumzeug und den Sattel bis zu seinem Tod tragen.
    Dann schulterte er rasch seinen Rucksack und schlitzte das geölte Gewebe der Zeppelinhaut auf. Neben ihm bestieg Lady Salmakia ihre Libelle und zwängte sich durch den schmalen Spalt. Knatternde Böen schlugen ihr entgegen. Die langen, zarten Flügel der Libelle zitterten, dann entfalteten sie sich, und das Insekt stürzte sich wie berauscht in den Wind. Wenig später folgte ihr Tialys in die hereinbrechende Dämmerung. Auch sein Fluginsekt zeigte sich begierig darauf, es mit dem Sturm aufzunehmen.
    Eisige Winde wirbelten die Spione nach oben. Sie orientierten sich kurz, dann nahmen sie Kurs auf das Tal.

Zerbrochen
     
     

    So standen die Dinge bei Einbruch der Dunkelheit.
    Lord Asriel schritt in seinem diamantenen Turm auf und ab. Seine ganze Aufmerksamkeit galt dem kleinen Wesen neben dem Magnetstein Resonator. Alle anderen Berichte mussten warten, nur die Nachrichten waren wichtig, die aus dem kleinen, viereckigen Stein unter der Lampe kamen.
    König Ogunwe saß in der Kabine seines Gyropters und überlegte fieberhaft, wie er den Plänen des Geistlichen Disziplinargerichts begegnen konnte, von denen er soeben durch den Gallivespier in seiner Flugmaschine erfahren hatte. Der Navigator kritzelte einige Zahlen auf einen Zettel und reichte den Zettel dem Piloten. Geschwindigkeit spielte jetzt die alles entscheidende Rolle. Wer mit seinen Truppen zuerst landete, würde im Vorteil sein. Die Gyropter flogen schneller als die Zeppeline, aber sie lagen immer noch ein gutes Stück zurück.
    In den Zeppelinen des Geistlichen Disziplinargerichts legten die Schweizergardisten letzte Hand an ihre Ausrüstung. Ihre Armbrüste vermochten noch auf fünfhundert Meter tödlich zu treffen, und ein Schütze konnte fünfzehnmal pro Minute laden und feuern. Spiralblätter aus Horn verliehen den Bolzen einen Drall und machten die Waffe so zielgenau wie ein Gewehr. Außerdem verursachte sie keinen Lärm, in dieser Situation ein nicht zu unterschätzender Vorteil.
    Mrs. Coulter lag wach am Eingang der Höhle. Der goldene Affe rumorte hinter ihr übel gelaunt und enttäuscht. Die Fledermäuse hatten die Höhle bei Einbruch der Nacht verlassen, und jetzt hatte er niemanden mehr, den er foltern konnte. Ruhelos schlich der Affe neben Mrs. Coulters Schlafsack auf und ab. Gelegentlich zerquetschte er zwischen zwei kleinen, schwieligen Fingern ein Glühwürmchen, das sich in die Höhle verirrt hatte, und schmierte es als leuchtenden Streifen auf einen Stein.
    Lyra schwitzte und kam ebenfalls nicht zur Ruhe, doch der Trank, den ihre Mutter ihr vor einer Stunde gewaltsam eingeflößt hatte, hatte sie in tiefen Schlaf versetzt. Das Mädchen träumte einen Traum, der es schon lange beschäftigte und jetzt zurückgekehrt war.
    Gelegentlich wimmerte Lyra leise vor Mitgefühl oder Empörung, oder sie begehrte im Schlaf wild auf. Pantalaimon knirschte dann teilnahmsvoll mit seinen Iltiszähnen.
    Nicht weit von ihnen entfernt näherten sich unter den vom Sturm geschüttelten Pinien Will und Ama der Höhle. Der Junge hatte Ama erklären wollen, was er beabsichtigte, doch Amas Dæmon hatte den Engel nicht verstanden, und als Will ein Fenster in die Luft geschnitten und ihr eine fremde Welt gezeigt hatte, war sie vor Angst fast ohnmächtig geworden. Er hatte sich behutsam bewegen und ganz ruhig auf sie einreden müssen, damit das Mädchen nicht vor ihm davonrannte. Auch weigerte sie sich, ihm das Pulver zu geben oder ihm zu erklären, wie man es verwendete.
    Zuletzt hatte er einfach gesagt, sie solle ihm ganz leise folgen, und gehofft, dass sie ihm gehorchte.
    Iorek hatte sich etwas weiter weg in voller Rüstung aufgebaut, um die Soldaten der Zeppelinflotte aufzuhalten. Will sollte genügend Zeit für sein Vorhaben bleiben. Aber weder er noch der Junge wussten, dass auch Lord Asriels Streitmacht bald eintreffen würde. Von Zeit zu Zeit drang mit dem Wind ein fernes Knattern an sein Ohr. Iorek wusste zwar, wie Zeppelinmotoren klangen, aber einen Gyropter hatte er noch nie gehört und konnte deshalb mit dem Geräusch nichts anfangen. Balthamos hätte es den beiden sagen können, doch jetzt, da sie Lyra gefunden hatten, zog er sich zunehmend in sich und seinen Kummer zurück. Will machte sich Sorgen um ihn. Der Engel verhielt sich wortkarg, abwesend und mürrisch, und das

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