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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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wiederum machte die Verständigung mit Ama noch schwerer.
    Will blieb stehen und sagte nach oben gewandt: »Balthamos? Bist du da?«
    »Ja«, antwortete der Engel tonlos.
    »Bitte bleib bei mir, Balthamos. Bleib in der Nähe und warne mich, wenn Gefahr droht. Ich brauche dich.«
    »Noch habe ich dich nicht verlassen«, erwiderte der Engel. Mehr war nicht aus ihm herauszubringen.
    Hoch über ihnen ritten Tialys und Salmakia durch die stürmische Dämmerung und suchten die Höhle im Tal. Die Libellen folgten präzise ihren Befehlen, doch setzte die Kälte ihnen zu und der Sturm warf sie gefährlich hin und her. Die Reiter gingen nach unten in den Schutz der Bäume, flogen von Ast zu Ast und versuchten, sich in der Dunkelheit zurechtzufinden.
     
     
    Will und Ama schlichen im unruhigen Licht des Mondes dicht an die Höhle zu einer Stelle, an der sie vom Eingang nicht gesehen werden konnten. Am Weg stand ein dicht belaubter Busch, und hinter ihm schnitt Will ein Fenster in die Luft.
    Die einzige Welt, die er auf derselben Höhe finden konnte, war eine kahle, steinige Ebene. Grell schien dort der Mond vom sternenklaren Himmel auf den kalkweißen Boden herunter, über den kleine Insekten krochen. Ihr Zirpen und Sirren war das einzige Geräusch weit und breit, ansonsten herrschte tiefe Stille.
    Ama stieg ihm hinterher und bewegte ununterbrochen Finger und Daumen, um sich vor den Teufeln zu schützen, die diesen schrecklichen Ort sicher heimsuchten. Ihr Dæmon passte sich sofort der Gegend an und trippelte in Gestalt einer Eidechse über die Steine. 
    Doch nun stellte sich ihnen ein neues Problem. Der Mond auf den bleichen Steinen würde wie eine Laterne durch das Fenster leuchten, das Will in Mrs. Coulters Höhle öffnen wollte. Er musste das Fenster also so rasch wie möglich öffnen, Lyra hindurchziehen und es dann sofort wieder schließen. Aufwecken würde er sie sicherheitshalber erst in dieser Welt.
    Der Junge blieb stehen. »Wir müssen schnell und leise sein«, erklärte er Ama. »Keinen Ton, nicht einmal ein Flüstern.«
    Das Hirtenmädchen nickte ängstlich. Das kleine Päckchen mit dem Pulver hatte sie in die Brusttasche gesteckt. Ein Dutzend Male hatte sie sich schon vergewissert, dass es noch dort war, Ama und ihr Dæmon hatten die nötigen Handgriffe so oft geprobt, dass sie sicher war, sie auch in völliger Dunkelheit ausführen zu können.
    Die beiden kletterten über die Steine. Sorgfältig maß Will die Entfernung, bis er das Gefühl hatte, dass sie jetzt im hinteren Teil der Höhle angelangt waren.
    Er nahm das Messer und schnitt ein kleines Guckloch in die Luft, nicht größer als der Kreis, den er mit Daumen und Zeigefinger bilden konnte.
    Rasch, damit der Mond nicht durchschien, hielt er das Auge an das Loch. Und er hatte richtig berechnet: Vor sich sah er dunkel gegen den Nachthimmel den Höhleneingang, daneben die schlafende Mrs. Coulter und den goldenen Affen. Sogar den Schwanz des Affen sah er; er hing reglos über den Schlafsack.
    Der Junge änderte den Blickwinkel und kniff die Augen zusammen. Er sah den Stein, hinter dem Lyra lag, doch das Mädchen selbst entdeckte er nicht. War er zu nahe an ihr dran? Will schloss das Fenster, trat einen Schritt zur Seite und öffnete ein neues.
    Lyra war verschwunden.
    »Hör zu«, sagte er zu Ama. »Die Frau hat das Mädchen woanders hingelegt, ich kann sie von hier nicht sehen. Deswegen muss ich durch das Fenster steigen und mich in der Höhle umsehen. Sobald ich sie gefunden habe, schneide ich ein Fenster hierher. Tritt einen Schritt zurück, damit du nicht im Weg stehst und ich dich beim Zurückkommen aus Versehen verletze. Wenn ich aufgehalten werde, kehrst du zu dem Fenster zurück, durch das wir diese Welt betreten haben, und wartest dort.«
    »Wir müssen beide durch das Fenster«, sagte Ama, »denn nur ich weiß, wie man das Mädchen aufweckt. Außerdem kenne ich die Höhle besser als du.«
    Trotzig sah sie ihn an, die Lippen zusammengepresst und die Fäuste geballt. Ihr Eidechsen-Dæmon blies sich auf.
    »Also gut«, sagte Will. »Aber wir gehen ganz schnell durch und ganz leise, und du tust dann ohne Widerrede, was ich sage, verstanden?«
    Ama nickte und vergewisserte sich ein weiteres Mal, dass das Pulver noch in der Brusttasche steckte.
    Will öffnete ein kleines Fenster tief unten am Boden, schaute hindurch und vergrößerte es rasch. Im nächsten Augenblick war er auf Händen und Knien hindurchgekrochen. Ama folgte dicht hinter ihm. Das Fenster

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