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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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unentwegt an, geduckt zum Sprung. Lyra bewegte sich und murmelte etwas. Will beugte sich zu ihr hinunter und drückte ihre Hand. Amas Dæmon stubste Pantalaimon an, hob dessen schweren Kopf ein wenig und flüsterte ihm etwas zu.
    Ein Schrei gellte durch den Wald, ein Mann fiel durch die Bäume und landete mit einem hässlichen Krachen keine fünf Meter vor dem Höhleneingang. Mrs. Coulter zuckte nicht einmal mit der Wimper. Sie sah den Toten nur kalt an und wandte sich wieder Will zu. Über ihnen waren vereinzelte Schüsse zu hören, dann brach heftiges Gewehrfeuer aus. Der ganze Himmel schien zu explodieren und in Flammen zu stehen.
    Lyras Bewusstsein kehrte zurück. Sie atmete rascher, stöhnte, seufzte, stützte sich auf und fiel wieder zurück. Pantalaimon gähnte, streckte sich, schnappte nach dem anderen Dæmon und kippte zur Seite, weil seine Muskeln ihn noch nicht tragen wollten.
    Will suchte unterdessen auf dem Boden der Höhle sorgfältig die Stücke des Messers zusammen. Er hatte jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken, wie es hatte zerbrechen können oder ob man es reparieren konnte. Schließlich war er der Messerträger und musste die Stücke aufbewahren. Vorsichtig hob Will sie vom Boden auf und steckte sie in die Scheide. Dabei dachte er die ganze Zeit an die fehlenden Finger seiner Hand. Das Metall glänzte im Licht von draußen, deshalb sah er die einzelnen Stücke gut. Insgesamt waren es sieben, das kleinste davon die Spitze. Der Junge sammelte sie ein, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Kampf vor der Höhle zu. Was ging dort vor?
    Über den Bäumen schwebten Zeppeline und Männer ließen sich an Seilen von ihnen hinunter, doch hatten die Piloten auf Grund des Windes Schwierigkeiten, die Luftschiffe über derselben Stelle zu halten. Inzwischen waren über der Felswand die ersten Gyropter eingetroffen. Aus Platzgründen konnte immer nur einer von ihnen landen. Anschließend mussten die afrikanischen Schützen den Felsen hinunterklettern. Einer von ihnen war von einem Schuss aus einem schwankenden Zeppelin getroffen worden und vorhin vor die Höhle gestürzt.
    Beide Seiten hatten inzwischen Soldaten abgesetzt. Einige waren schon zwischen Himmel und Boden ums Leben gekommen, andere lagen verwundet auf dem Felsen oder im Wald. Keiner war bisher zur Höhle vorgedrungen. Dort bestimmte immer noch Mrs. Coulter. »Was wollen Sie jetzt tun?«, rief Will gegen den Lärm.
    »Euch gefangen nehmen.«
    »Als Geiseln? Das ist denen doch egal. Die wollen uns doch sowieso umbringen.«
    »Die eine Seite ja, bei der anderen bin ich mir nicht so sicher. Hoffen wir, dass die Afrikaner gewinnen.«
    Sie klang geradezu glücklich und Will sah in dem grellen Schein die Erregung und Begeisterung auf ihrem Gesicht.
    »Sie haben das Messer zerbrochen«, sagte er.
    »Nein, ich wollte doch mit seiner Hilfe von hier wegkommen. Du hast es selbst zerbrochen.«
    »Will?«, murmelte Lyra aufgeregt. »Bist du das, Will?«
    »Lyra!«, rief er und kniete sich rasch neben sie. Ama half ihr aufzusitzen.
    »Was ist denn los?«, murmelte Lyra. »Wo sind wir? Ach, Will, ich hatte so einen Traum ... «
    »Wir sind in einer Höhle. Bleib ganz ruhig sitzen, sonst wird dir schwindlig. Immer eins nach dem anderen. Zuerst musst du wieder ganz zu dir kommen. Du hast tagelang geschlafen.«
    Ihre Lider waren noch schwer und sie musste ständig gähnen, doch versuchte Lyra verzweifelt, richtig wach zu werden. Er legte sich ihren Arm über die Schulter, stützte sie und half ihr auf. Ama sah ängstlich zu. Jetzt, wo das fremde Mädchen wach war, hatte sie Angst vor ihr. Will atmete glücklich den Geruch von Lyras schlaftrunkenem Körper ein. Endlich war er bei ihr und spürte sie neben sich.
    Die beiden setzten sich auf einen Stein. Lyra hielt seine Hand und rieb sich die Augen.
    »Was ist denn hier los, Will?«, flüsterte sie.
    »Ama hier hat dich mit einem Pulver aufgeweckt«, sagte er leise. Erst jetzt sah Lyra das Mädchen. Dankbar legte sie ihr die Hand auf die Schulter. »Ich kam hierher, so schnell ich konnte«, fuhr Will fort. »Aber einige Soldaten haben dich auch gefunden. Ich weiß nicht, wer sie sind. Wir verschwinden von hier, sobald wir können.«
    Draußen hatten Geknatter und Tumult ihren Höhepunkt erreicht. Ein Gyropter war vom Maschinengewehr eines Zeppelins unter Beschuss genommen worden, während die Schützen auf den Felsen hinaussprangen, und ging in Flammen auf. Die Besatzung kam ums Leben, und die restlichen

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