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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Selbst wenn meine Spione ihn im Schlaf töten würden, bliebe das Messer ohne Nutzen für uns. Vorläufig werden Chevalier Tialys und Lady Salmakia die Kinder überallhin begleiten. So verlieren wir wenigstens nicht ihre Spur. Sie scheinen einen Plan zu verfolgen. Sie weigern sich jedenfalls, hierher zu kommen. Meine Spione werden ihnen auf den Fersen bleiben.«
    »Sind sie in der Welt, in der sie sich gerade befinden, sicher?«, fragte Lord Asriel.
    »Sie lagern auf einer Wiese am Rand eines kleinen Waldes. In ihrer Nähe finden sich keine Anzeichen tierischen Lebens. Die beiden schlafen gerade. Ich habe erst vor fünf Minuten mit Chevalier Tialys gesprochen.«
    »Ich danke Ihnen«, sagte Lord Asriel. »Da Ihre Agenten nun den Kindern auf der Spur bleiben, haben wir keine Augen mehr im Magisterium. Wir sind also allein auf das Alethiometer angewiesen. Wenigstens ... «
    Zu aller Erstaunen ergriff Mrs. Coulter jetzt das Wort.
    »Zwar kenne ich nicht die anderen Abteilungen der kirchlichen Administration«, sagte sie, »aber was das Geistliche Disziplinargericht angeht, so handelt es sich bei dem dort zuständigen Alethiometristen um einen gewissen Fra Pavel Rasek. Er arbeitet gründlich, aber langsam. Es wird ein paar Stunden dauern, ehe man dort weiß, wo sich Lyra befindet.«
    »Danke, Marisa«, sagte Lord Asriel, »hast du eine Ahnung, was Lyra und der Junge vorhaben könnten?«
    »Nein«, sagte sie, »nicht die geringste. Ich habe mit dem Jungen gesprochen. Er schien mir ein verstocktes Kind zu sein, das Geheimnisse zu bewahren versteht. Ich weiß nicht, was er vorhat. Und Lyra war schon immer mehr oder weniger undurchschaubar.«
    »Mylord«, schaltete sich König Ogunwe ein, »dürfen wir erfahren, ob die Lady nun zum Obersten Kriegsrat gehört? Falls ja, welche Funktion hat sie dann darin? Falls nein, sollte sie nicht besser an einen anderen Ort gebracht werden?«
    »Mrs. Coulter ist unsere Gefangene und mein Gast, und als maßgebliche Ex-Agentin der Kirche könnte sie uns nützliche Hinweise liefern.«
    »Aber wird sie irgendetwas freiwillig preisgeben? Oder muss zur Folter gegriffen werden?«, fragte Lord Roke und sah ihr dabei direkt ins Gesicht.
    Mrs. Coulter lachte.
    »Lord Asriels Oberbefehlshaber sollten eigentlich wissen, dass man von der Folter niemals erwarten darf, die Wahrheit zu erfahren«, sagte sie.
    Lord Asriel konnte sich ein amüsiertes Lächeln über diese freche Unaufrichtigkeit nicht verkneifen.
    »Ich lege für Mrs. Coulter die Hand ins Feuer«, sagte er. »Sie weiß, was geschieht, wenn sie uns betrügt; allerdings wird sie keine Gelegenheit dazu erhalten. Sollte aber jemand aus diesem Kreis Zweifel daran haben, so mag er dies offen und furchtlos aussprechen.« »Ich habe Zweifel«, sagte König Ogunwe, »aber an Ihnen, nicht an ihr.«
    »Wie das?«, fragte Lord Asriel.
    »Wenn sie ihre Verführungskünste an Ihnen erprobte, könnten Sie nicht widerstehen. Es war richtig, Mrs. Coulter gefangen zu setzen, aber falsch, sie zu diesem Treffen einzuladen. Behandeln Sie sie mit aller Höflichkeit, sorgen Sie für ihre Bequemlichkeit, aber bringen Sie sie an einen anderen Ort und halten Sie sich von ihr fern.«
    »Ich habe Sie als Oberbefehlshaber ermuntert, sich zu Wort zu melden«, sagte Lord Asriel, »daher muss ich jetzt auch Ihren Tadel einstecken. Ihre Anwesenheit in dieser Runde, meine Herren, bewerte ich höher als die Mrs. Coulters. Ich werde sie daher fortbringen lassen.«
    Er griff nach der Klingel, doch ehe er sie betätigen konnte, ergriff Mrs. Coulter das Wort.
    »Bitte, meine Herren«, flehte sie, »hören Sie mich erst an. Ich kann Ihnen helfen, denn ich habe dem innersten Kreis des Magisteriums näher gestanden als jede andere Person, die Sie für sich gewinnen könnten. Ich weiß, wie man dort denkt, und kann mir ausrechnen, wie man dort handelt. Sie fragen sich, warum Sie mir trauen sollten und weshalb ich dem Magisterium den Rücken gekehrt habe. Die Antwort ist einfach: Man will meine Tochter umbringen. Nach dem Willen der Kirchengewaltigen soll sie nicht länger leben. Als ich erkannte, wer sie ist - was sie ist - was die Hexen über sie prophezeit haben - da wusste ich, dass ich die Kirche verlassen musste. Ich wusste, dass wir von nun an Feinde waren. Unklar war mir nur, wie Sie zu mir stünden oder ich zu Ihnen. Dieses Rätsel blieb noch zu lösen. Ich war aber entschlossen, mich gegen die Kirche zu stellen, gegen alles, was ihren Glauben ausmacht, und im äußersten

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