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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Versprechen zu halten, ganz gleich, wie schwierig es ist. Weißt du, ich habe eigentlich schreckliche Angst. Und ich wünschte, ich hätte diesen Traum nie gehabt und Will nie daran gedacht, das Messer für diesen Zweck zu benutzen. Aber so ist es nun einmal geschehen, und deshalb kommen wir nicht darum herum.«
    Lyra spürte, wie Pantalaimon zitterte, und so streichelte sie ihn mit ihren wunden Händen.
    »Wir wissen aber nicht, wie wir dorthin gelangen sollen«, fuhr sie fort. »Wir werden es erst wissen, wenn wir es versuchen. Und du, Iorek, wohin willst du gehen?«
    »Ich ziehe mit meinem Volk zurück in den Norden. Wir können in diesen Bergen hier nicht leben. Sogar der Schnee ist anders. Ich dachte, wir könnten uns hie r ansiedeln, aber im Meer fühlen wir uns besser aufgehoben, sogar wenn das Wasser sich erwärmt hat. Diese Erkenntnis war den Versuch wert. Außerdem werden wir dort gebraucht. Ich wittere Krieg, Lyra Listenreich; ich rieche und ich höre ihn. Ich habe mit Serafina Pekkala gesprochen, ehe ich hierher kam, und sie sagte mir, sie werde zu Lord Faa und den Gyptern gehen. Wenn es dort zum Krieg kommt, dann werden wir gebraucht.«
    Lyra richtete sich gespannt auf, als sie die Namen ihrer alten Freunde hörte. Doch Iorek war noch nicht fertig.
    »Wenn du den Rückweg aus dem Land der Toten nicht findest, sehen wir uns nie wieder, denn ich habe keinen Geist. Mein Körper bleibt auf der Erde und wird ein Teil von ihr. Doch wenn wir beide überleben sollten, dann wirst du auf Svalbard immer ein gern gesehener Gast sein, und das Gleiche gilt auch für Will. Hat er dir erzählt, was bei unserer ersten Begegnung geschehen ist?«
    »Nein«, sagte Lyra, »außer, dass es am Ufer eines Flusses war.«
    »Er hat mich mit seinem Blick aus der Fassung gebracht. Ich dachte immer, keiner könnte das, aber dieser halbwüchsige Junge war zu kühn und zu klug für mich. Ich werde nicht froh bei dem Gedanken, dass du deinen Plan in die Tat umsetzen willst, aber der Einzige, dem ich bei dieser Reise Vertrauen schenken würde, ist Will. Ihr seid aus dem gleichen Holz geschnitzt. Leb wohl, Lyra Listenreich, meine teure Freundin.«
    Sie schlang die Arme um seinen Hals und drückte wortlos ihr Gesicht in seinen Pelz.
    Nach einer Minute stand er vorsichtig auf, löste ihre Arme von seinem Hals und trottete leise in die Dunkelheit davon. Lyra erschien es, als ob seine Umrisse sofort von der weißen Schneelandschaft verschluckt würden, doch vielleicht lag es auch daran, dass ihre Augen in Tränen schwammen.
    Als Will Lyras Schritte auf dem Pfad hörte, schaute er zu den Spionen hinauf und sagte: »Bleibt, wo ihr seid. Schaut - da ist das Messer - ich benutze es nicht. Bleibt also hier.«
    Damit ging er nach draußen und traf Lyra weinend an. Neben ihr stand Pantalaimon als Wolf, der die Augen zum schwarzen Himmel erhob. Sie bewegte sich nicht. Das einzige Licht kam vom blassen Widerschein der Aschenglut auf der Schneewehe, der wiederum von Lyras tränennassen Wangen reflektiert wurde. Ihre Tränen aber spiegelten sich in Wills Augen, so dass sie ein Gespinst von Fotonen einhüllte.
    »Ich liebe ihn so sehr, Will«, brachte sie schließlich mühsam hervor. »Und er sah auf einmal so alt aus. Hungrig, alt und traurig ... Kommt es jetzt allein auf uns an, Will? Wir können uns auf niemanden sonst verlassen. Wir sind allein. Aber wir sind noch nicht alt genug. Wir sind jung ... zu jung. Jetzt, wo der arme Mr. Scoresby tot und Iorek alt ist ... Jetzt kommt es allein auf uns an, das zu tun, was getan werden muss.« »Wir schaffen das«, sagte er. »Ich schaue nicht mehr zurück. Wir schaffen das. Aber jetzt müssen wir erst einmal schlafen, und wenn wir hier in dieser Welt bleiben, könnten die Gyropter kommen, die die Spione angefordert haben. Ich werde deshalb einen Durchgang in eine andere Welt schneiden, wo wir schlafen können. Wenn die Spione mitkommen, müssen wir ein andermal versuchen, sie loszuwerden.«
    »Ja«, sagte Lyra, schniefte und wischte sich mit dem Handrücken die Nase. Dann rieb sie sich mit beiden Händen die Augen. »Tun wir es. Bist du sicher, dass das Messer wie vorher schneidet? Hast du es ausprobiert?«
    »Ich weiß, dass es funktioniert.«
    Pantalaimon hatte die Gestalt eines Tigers angenommen, um die Spione abzuschrecken. So gewappnet gingen Will und Lyra zurück in die Höhle und holten ihre Rucksäcke.
    »Was tut ihr da?«, fragte Salmakia.
    »Wir gehen in eine andere Welt«, antwortete Will und nahm

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