Das Bernstein-Teleskop
bestellt, und wenn du weiterhin so lärmst, muss ich dich knebeln.«
Mrs. Coulter hatte mehr von ihrer Tochter an sich, als ihr selbst bewusst war. Ihre Antwort auf diese Drohung bestand darin, dass sie Lord Asriel ins Gesicht spuckte. Er wischte sich gelassen das Gesicht ab und sagte: »Ein Knebel wird auch solchem Verhalten ein Ende setzen.« »Oh, züchtige mich nur, Asriel«, sagte sie grimmig. »Ein Lord, der eine Gefangene, an einen Stuhl gefesselt, seinen Offizieren vorführt, darf gewiss als ein Muster an Höflichkeit gelten. Löse mir die Fesseln, oder ich zwinge dich, mich zu knebeln.«
»Ganz wie du wünschst«, sagte er und holte ein seidenes Halstuch aus der Schublade. Doch bevor er sie damit knebeln konnte, schüttelte sie den Kopf.
»Nein, nein«, sagte sie, »Asriel, tu's nicht, ich bitte dich, demütige mich nicht so.«
Tränen des Zorns traten ihr in die Augen.
»Also gut, ich löse dir die Fesseln, aber der da bleibt angekettet.« Darauf ließ er das Halstuch wieder in die Schublade fallen und schnitt ihr die Fesseln mit einem Taschenmesser durch.
Die Frau rieb sich die Handgelenke, stand auf und streckte sich, und erst da bemerkte sie, in welchem Zustand ihre Kleider und ihr Haar waren. Sie sah bleich und krank aus; ein Rest von dem Gift der Gallivespier war noch in ihrem Körper und bereitete ihr schreckliche Schmerzen in den Gelenken, doch das wollte sie sich keinesfalls anmerken lassen.
»Du kannst dich da drinnen frisch machen«, sagte Asriel und zeigte auf einen kleinen Nebenraum, der kaum größer als ein Wandschrank war.
Sie hob den angeketteten Dæmon auf, der Lord Asriel hasserfüllte Blicke zuwarf, und begab sich in den angrenzenden Raum.
Der Ordonanzoffizier kam herein und erstattete Meldung: »Seine Majestät König Ogunwe und Lord Roke.«
Sogleich erschienen der afrikanische General und der Gallivespier: König Ogunwe in tadelloser Uniform und mit einem frischen Schläfenverband, während Lord Roke auf seinem blauen Falken elegant auf den Tisch schwebte.
Lord Asriel begrüßte sie herzlich und bot Wein an. Der Vogel ließ seinen Reiter absteigen und flog dann zu einer Stange neben der Tür, als der Ordonanzoffizier Lord Asriels dritten Oberbefehlshaber ankündigte, einen weiblichen Engel mit Namen Xaphania. Sie war von höherem Rang als Baruch oder Balthamos und zeichnete sich durch ein schimmerndes, verwirrendes Licht aus, das aus einer fernen Quelle zu kommen schien.
Unterdessen war Mrs. Coulter, frisch hergerichtet, einge treten, und alle drei Oberbefehlshaber verneigten sich vor ihr. Ob das Erscheinen der hohen Militärs sie überraschte, ließ sie sich nicht anmerken. Die Frau neigte nur kurz den Kopf und setzte sich, den gefesselten Affen im Arm, ruhig hin.
Lord Asriel wandte sich ohne Umschweife an den afrikanischen König: »Berichten Sie mir, was geschehen ist, König Ogunwe.«
Der Afrikaner sprach mit tiefer, sonorer Stimme: »Wir ha ben siebzehn Schweizergardisten getötet und zwei Luftschiffe zerstört. Unsere Verluste belaufen sich auf fünf Mann und einen Gyropter. Der Junge und das Mädchen sind entkommen. Wir setzten Lady Coulter trotz ihrer tapferen Gegenwehr gefangen und brachten sie hierher. Ich hoffe, sie fühlte sich von uns wie eine Dame behandelt.«
»Ich kann mich über die Art und Weise, wie Sie mich behandelt haben, nicht beklagen«, sagte sie, wobei sie das Wort »Sie« so wenig wie möglich betonte.
»Sind weitere Gyropter beschädigt worden? Gab es Verwundete?«, fragte Lord Asriel.
»Einige Schäden und mehrere Verwundete, doch nichts von Belang.«
»Gut. Vielen Dank, König; Ihre Männer haben Hervorragendes geleistet. Und Sie, Lord Roke, was haben Sie in Erfahrung gebracht?«
Der Gallivespier berichtete: »Meine Spione sind dem Jungen und dem Mädchen in eine andere Welt gefolgt. Beide Kinder sind gesund und wohlauf, obgleich das Mädchen durch Drogen mehrere Tage lang im Schlaf gehalten wurde. Dem Jungen ist im Verlauf der Ereignisse in der Höhle das Magische Messer zerbrochen. Doch nun ist es wiederhergestellt, nachdem ein Wesen aus Ihrer Welt, Lord Asriel, ein rie siger Bär mit großer Kunstfertigkeit im Schmieden, es repariert hat. Sobald der Junge das Messer wieder gebrauchen konnte, schnitt er eine Öffnung in eine andere Welt, wo er sich jetzt mit dem Mädchen aufhält. Auch meine Spione sind bei ihnen. Allerdings stehen wir vor einer Schwierigkeit: Solange der Junge das Messer besitzt, kann er zu nichts gezwungen werden.
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