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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Lord Asriel verächtlich, werden ihre schamlosen Lügen noch wirkungsvoller. Sie ist verlogen bis ins Mark. Wie durch Zufall richtete sie ihre Worte vornehmlich an König Ogunwe, und auch das entging Lord Asriel nicht. Schließlich war der König nicht mir ihr Hauptankläger, sondern auch, anders als der Engel oder Lord Roke, ein Mensch wie sie, und sie wusste, wie Sie ihn Umgarnen konnte.
    Tatsächlich aber hinterließ Mrs. Coulter den stärksten Eindruck auf den Gallivespier. Lord Roke erkannte in ihr eine Natur, die den Skorpionen so sehr glich, wie er es sonst noch nie erlebt hatte. Er wusste nur zu gut um die Macht des Stachels, den er unter ihrem sanften Ton spürte. Besser, Skorpione dort zu behalten, wo man sie sehen kann, dachte er bei sich. Deshalb schloss er sich König Ogunwe an, als dieser seine Meinung änderte und dafür plädierte, dass Mrs. Coulter bleiben solle. Lord Asriel sah sich plötzlich ausmanövriert, denn er hätte sie jetzt gern an einem anderen Ort gesehen, doch nun hatte er sich schon einverstanden erklärt, den Wünschen seiner Oberbefehlshaber nachzukommen.
    Mrs. Coulter schaute ihn mit einem Ausdruck sanfter Betroffenheit an. Er war sich sicher, dass niemand außer ihm das Funkeln der Verschlagenheit tief in ihren schönen Augen erkannte.
    »Dann bleib«, sagte er. »Aber du hast jetzt genug gesprochen. Halte dich zurück. Wir beraten nun über den Vorschlag für eine Garnison an der Südgrenze. Ein Bericht liegt bereits vor. Ist das Projekt durchführbar? Und auch wünschenswert? Als Nächstes will ich einen Besuch in den Rüstungsfabriken machen. Schließlich möchte ich von Xaphania erfahren, wie es um die Streitmacht der Engel bestellt ist. Zuerst die Garnison. König Ogunwe?«
    Der afrikanische Souverän begann. Man diskutierte eine Weile und Mrs. Coulter war beeindruckt von den genauen Vorstellungen, die man in Lord Asriels Lager von der Wehrkraft der Kirche hatte, und wie richtig man die Stärken ihrer Führer einzuschätzen wusste.
    Doch jetzt, da Tialys und Salmakia bei den Kindern waren, hatte Lord Asriel keinen Spion mehr im Magisterium, folglich würde sich die Nachrichtenlage schon sehr bald rasant verschlechtern. Mrs. Coulter kam eine Idee, und sie und ihr Affen-Dæmon tauschten Blicke aus, die wie anbarische Funken sprühten. Doch sie schwieg und streichelte das goldene Fell des Affen, während sie weiterhin den Oberbefehlshabern zuhörte.
    Dann gebot Lord Asriel: »Genug davon, Mit der Frage werden wir uns später noch beschäftigen. Nun zu den Rüstungsangelegenheiten: Wie mir berichtet wurde, steht der Intentionsgleiter klar zu einem Test bereit. Wir wollen uns persönlich ein Bild davon machen.«
    Darauf holte Asriel einen silbernen Schlüssel aus der Jackentasche und schloss die Fuß- und Handfesseln des goldenen Affen auf, wobei er peinlich darauf achtete, auch nicht eines seiner goldenen Haare zu berühren. Lord Roke schwang sich auf seinen Falken und gemeinsam folgten sie ihrem Oberbefehlshaber, der die Turmtreppe hinuntereilte und dann auf die Zinnen der Festung hinaustrat.
    Draußen wehte ein schneidend kalter Wind. Das dunkelblaue Falkenweibchen stieg majestätisch auf und flog schreiend seine Kreise. König Ogunwe zog seinen Mantel fester um sich und legte seinem Dæmon, einer Gepardin, die Hand auf den Kopf.
    Mrs. Coulter wandte sich demütig an den weiblichen Engel: »Verzeihen Sie, Mylady, Ihr Name ist Xaphania?«
    »So ist es«, antwortete der Engel.
    So wie ihre Engelsschwestern einst die Hexe Ruta Skadi verblüfft hatten, so beeindruckte ihre Erscheinung nun Mrs. Coulter. Xaphania leuchtete nicht selbst, sondern es schien, als empfange sie Licht von anderswoher, auch wenn nirgends eine Lichtquelle auszumachen war. Der Engel stand hoch gewachsen, hüllenlos, mit angelegten Flügeln und mit einem tief gefurchten Gesicht vor ihr, das älter wirkte, als das von je dem anderen Lebewesen.
    »Gehören Sie zu jenen Engeln, die vor langer Zeit rebelliert haben?«
    Ja. Und seither bin ich durch viele Welten gewandert. Nun aber habe ich mich der Sache Lord Asriels verschrieben, weil ich in seinem großen Unternehmen die größte Hoffnung auf einen endgültigen Sieg über die Tyrannei sehe.«
    »Aber wenn Sie scheitern?«
    »Dann wäre das unser aller Vernichtung, und der Herrschaft der Grausamkeit würde kein Ende sein.«
    Während ihres Gesprächs folgten sie Lord Asriel, der mit raschen Schritten auf eine mächtige Treppe zueilte, die so tief nach unten

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