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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Fall sogar gegen den Allmächtigen selbst. Ich ... «
    Sie hielt für einen Moment inne. Alle Oberbefehlshaber hörten ihr aufmerksam zu. Nun schaute sie Lord Asriel direkt ins Gesicht und schien sich mit leiser, bebender Stimme und glänzenden Augen an ihn allein zu wenden.
    »Ich war die schlechteste Mutter, die man sich denken kann. Ich ließ zu, dass man mein einziges Kind von mir nahm, als es noch ein Säugling war. Ich kümmerte mich nicht um mein Baby. Mir ging es nur um meine Karriere. Jahrelang habe ich keinen Gedanken an sie verschwendet und wenn sie mir doch in den Sinn kam, habe ich nur Bedauern über ihre Geburt verspürt.
    Doch dann begann sich die Kirche für Staub und im Zusammenhang damit für Kinder zu interessieren. Da regte sich etwas in meinem Herzen. Ich erinnerte mich, dass ich Mutter war und Lyra mein Kind. Wegen dieser Bedrohung habe ich sie beschützt. Dreimal bin ich schon eingeschritten, um sie aus der Gefahr zu retten. Das erste Mal, als die Oblations-Behörde mit ihrer Arbeit begann. Ich ging ins Jordan College und holte sie zu mir nach London, wo ich sie vor den Häschern der Behörde in Sicherheit wähnte ... so glaubte ich wenigstens. Aber sie riss wieder aus.
    Das zweite Mal war es in Bolvangar, als ich sie gerade noch rechtzeitig vor dem - dem Messer des Separators - retten konnte. Mein Herz blieb fast stehen ... Es war das Gleiche, was man - wir - was ich mit anderen Kindern getan hatte, doch als nun mein eigenes Kind ... Oh, Sie können sich den Schrecken jenes Augenblicks nicht vorstellen, ich wünsche Ihnen nicht, dass Sie jemals Ähnliches erleiden müssen ... Aber ich habe sie freibekommen, habe sie da herausgeholt. Ich habe sie also ein zweites Mal gerettet. Doch selbst damals fühlte ich mich immer noch zur Kirche gehörig, als ihre treue und ergebene Dienerin, weil ich ja das Werk des Allmächtigen tat. Dann erfuhr ich von der Prophezeiung der Hexen. Lyra, so lautet ihre Prophezeiung, werde wie einst Eva in naher Zukunft irgendeiner Form der Versuchung ausgesetzt. Welcher Art diese Versuchung sein wird, weiß ich nicht, doch schließlich wächst sie heran und mit ein bisschen Fantasie ... Weil die Kirche dies mittlerweile auch weiß, will man sie umbringen. Wenn tatsächlich alles nur von ihr abhängt, wie könnten dann die Kirchengewaltigen ihr Leben schonen? Dürfen sie es darauf ankommen lassen, dass sie der Versuchung widersteht? Ganz gleich, wie die aussehen mag?
    Nein, sie müssen sie einfach umbringen. Wenn es in ihrer Macht gestanden hätte, wären sie sogar in den Garten Eden zurückgekehrt und hätten die erste Eva umgebracht, ehe sie verführt wurde. Menschen umzubringen stellt für sie kein Problem dar; Calvin selbst hat den Tod von Kindern angeordnet. Man würde sie mit allem Zeremoniell, mit Gebeten und Klageliedern, Psalmen und Gesängen vom Leben zum Tode bringen. Wenn sie ihnen in die Hände fällt, ist sie so gut wie tot.
    Als ich also von der Prophezeiung der Hexen erfuhr, rettete ich meine Tochter zum dritten Mal. Ich brachte sie an einen Ort, wo sie sicher war und wo auch ich bleiben wollte.«
    »Sie haben Ihre Tochter unter Drogen gesetzt«, wandte König Ogunwe ein. »Und sie in bewusstlosem Zustand gehalten.« »Mir blieb nichts anderes übrig«, versetzte Mrs. Coulter. »Denn sie hasst mich«, und hier schlug ihre Stimme, die bis her von gebändigtem Gefühl zeugte, in ein Schluchzen um. Bebend fuhr sie fort: »Sie fürchtet mich und sie hasst mich, und sie wäre vor mir geflohen wie der Vogel vor der Katze, wenn ich sie nicht in tiefen Schlaf versetzt hätte. Können Sie sich vorstellen, was das für eine Mutter heißt? Aber nur so konnte ich Lyra in Sicherheit behalten. Die ganze Zeit über in der Höhle ... sie im Schlaf, die Augen geschlossen, hilflos daliegend, ihr Dæmon an ihren Hals geschmiegt ... Oh, da spürte ich eine solche Zärtlichkeit, eine solch tiefe Liebe zu ihr ... Mein einziges Kind, zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich meiner kleinen Lyra alles geben ... Ich wusch und fütterte sie, ich hielt sie warm und schenkte ihr Geborgenheit. Nachts lag ich neben ihr, nahm sie in meine Arme, weinte in ihr Haar, küsste sie auf die im Schlaf geschlossenen Augen, meine Kleine ... «
    Mrs. Coulter kannte keine Scham noch Zurückhaltung mehr, sprach ruhig und ohne Affektiertheit, und als sie dann von Schluchzern geschüttelt wurde, klang das fast wie ein Schluckauf, so als ob sie ihre Emotionen aus Höflichkeit dämpfte. Damit, so dachte

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