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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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von allen Seiten aus der Luft. Lord Asriel und Xaphania unterhielten sich gerade angeregt mit den Ingenieuren, während Monteure, einer mit einem Klemmbrett, ein anderer mit einem Stück Kabel, sich an der Maschine selbst zu schaffen machten.
    Mrs. Coulter betrachtete das Gerät neugierig, prägte es sich in all seinen Einzelheiten ein und versuchte das Zusammenwirken der Teile zu ergründen. Während sie in solcher Betrachtung versunken war, setzte sich Lord Asriel in das Cockpit, legte ein Ledergeschirr an Hüften und Schultern an und setzte sich einen Helm auf. Sein Dæmon, die Schneeleopardin, hockte sich zu ihm und er schnallte sie ebenfalls an. Ein Ingenieur rief ihm etwas zu, Lord Asriel antwortete etwas, worauf sich die Männer zum Tor zurückzogen.
    Der Intentionsgleiter setzte sich in Bewegung, ohne dass sich Mrs. Coulter erklären konnte, wie. Fast schien es so, als habe die Maschine nur gebebt. Sie stand immer noch auf ihren sechs Insektenbeinen da, hatte sich aber mit einer unheimlichen Energie aufgeladen. Mrs. Coulter schaute genauer hin und jetzt sah sie es: Manche Teile drehten sich, bewegten sich hierhin und dorthin und tasteten den dunklen Himmel ab. Lord Asriel bediente Hebel und Schalter, überprüfte die Instrumente, und mit einem Mal war der Intentionsgleiter verschwunden.
    Irgendwie hatte die Waffe sich in die Luft erhoben. Nun schwebte sie in Baumwipfelhöhe über ihnen und wendete sich langsam nach links. Kein Motorenlärm war zu hören, und nichts wies darauf hin, wie die Maschine die Schwerkraft überwand. Sie hing einfach in der Luft.
    »Hören Sie doch«, sagte König Ogunwe. »Es kommt von Süden.«
    Sie wandte den Kopf und lauschte angestrengt. Der Wind heulte um den Berg, das Dröhnen der Hammerschläge aus dem Innern des Berges pflanzte sich bis in ihre Fußsohlen fort und vom erleuchteten Tor im Fels waren einzelne Stimmen zu hören. Auf ein Signal hin verstummten die Stimmen und die Lichter gingen aus. In der nun folgenden Stille hörte Mrs. Coulter ganz schwach das von Windböen herangetragene Brummen mehrerer Gyropter.
    »Wer ist das?«, fragte sie.
    »Lockvögel«, sagte der König. »Meine Piloten sollen den Feind dazu verleiten, die Verfolgung aufzunehmen. Schauen Sie nur.«
    Sie riss die Augen noch weiter auf, um an dem nur von wenigen Sternen erleuchteten Nachthimmel mehr zu erkennen. Über ihren Köpfen hing der Intentionsgleiter immer noch so bewegungslos, als sei er dort oben vertäut. Keine Windböe brachte ihn zum Schaukeln. Das Cockpit war nicht erleuchtet, Lord Asriels Gestalt nicht zu erkennen. Dann sah sie einen ersten Schwarm von Lichtern und gleichzeitig schwoll der Motorenlärm zu einem ununterbrochenen Dröhnen an. Sechs Gyropter flogen mit hoher Geschwindigkeit heran. Einer von ihnen zog eine Rauchfahne hinter sich her und flog tiefer als die anderen. Alle näherten sich dem Berg, hielten aber einen Kurs, der an dem Berg vorbei und darüber hinaus führte.
    Hinter ihnen folgte in kurzem Abstand eine bunte Mischung von Fliegern. Wer sie waren, war nicht leicht zu erkennen, aber Mrs. Coulter sah deutlich einen schweren Gyropter unbekannter Bauart, zwei Flugzeuge, einen großen Vogel, der anscheinend mühelos durch die Luft segelte und auf seinem Rücken zwei bewaffnete Reiter trug, sowie mehrere Engel. »Eine Jägerstaffel«, bemerkte König Ogunwe.
    Sie waren den Gyroptern hart auf den Fersen. Dann kam aus einem der Flugzeuge ein Lichtblitz und ein, zwei Sekunden später folgte ein dumpfer Knall. Doch die Granate erreichte ihr Ziel, den qualmenden Gyropter, keineswegs, denn im selben Augenblick, als der Lichtblitz zu sehen und noch ehe der Knall zu hören war, sandte der Intentionsgleiter einen Strahl durch die Nacht und brachte die Granate noch im Flug zur Explosion.
    Mrs. Coulter hatte das rasche Nacheinander von Licht und Knall noch gar nicht so recht begriffen, da war das Gefecht schon in vollem Gang. Dem Geschehen konnten die am Boden nicht leicht folgen, denn der Himmel war schwarz und die Flugobjekte bewegten sich rasend schnell. Eine Reihe fast lautloser Blitze erhellte den Berg, gefolgt von einem kurzen Zischen wie von ausströmendem Dampf. Jeder Blitz traf einen Verfolger. Die Flugzeuge und der Gyropter fingen Feuer und explodierten; der Riesenvogel stieß einen Schrei aus, als würde ein turmhoher Vorhang von oben bis unten zerreißen, und fiel auf die Felsen unter ihm; die Engel schließlich verschwanden in einem Gestöber aus Licht, Myriaden von

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