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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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erreichten sie einen Bahnsteig, wo nach der langen Tunnelfahrt anbarische Lampen ein geradezu grelles Licht verbreiteten.
    Lord Asriel öffnete den Wagenschlag und sogleich schlug ihnen eine so heiße, schwefelhaltige Luft entgegen, dass Mrs. Coulter nach Atem rang. Das Dröhnen von mächtigen Hämmern und das Quietschen von Eisen auf Stein erfüllten den Raum.
    Ein Arbeiter stieß das Tor auf, das vom Bahnsteig führte, worauf sich der Lärm noch einmal um das Doppelte steigerte und die Hitze wie eine Brandungswelle über sie stürzte. Vor dem gleißenden Licht schirmten alle die Augen ab, nur Xaphania schien der Andrang von Lärm, Licht und Hitze nichts auszumachen. Mrs. Coulter brauchte eine Weile, bis sich ihre Sinne an die neue Umgebung gewöhnt hatten, dann aber schaute sie sich mit wachsender Neugier um.
    Sie hatte in ihrer Welt schon Schmieden, Eisenhütten und Manufakturen gesehen: Doch selbst die größten unter ihnen wirkten im Vergleich zu diesen hier wie kleine Dorfschmie den. Hämmer, so groß wie Häuser, wurden in Sekundenschnelle zur fernen Hallendecke gehoben, um dann mit solchem Getöse auf schwere, baumdicke Eisenblöcke niederzufahren, dass der ganze Berg zu erbeben schien. Aus einer Öffnung in der Felswand ergoss sich ein Strom geschmolzenen Eisens bis vor ein diamantenes Tor. Dort wurde die schimmernde, kochende Flut durch Kanäle und Rinnen geschleust, um lange Reihen von Gussformen zu füllen und unter Entwicklung übel riechender schwefeliger Dämpfe auszukühlen. Gewaltige Schneidemaschinen und Walzen trennten und bogen zolldicke Eisenplatten, als handele es sich um Seidenpapier. Anschließend wurden sie wieder von den mächtigen Hämmern bearbeitet, bis sie, übereinander geschichtet, zu immer robusterem Stahl geschmiedet wurden.
    Wenn Iorek Byrnison diese Rüstungsfabrik gesehen hätte, dann hätte er wohl zugegeben, dass die Menschen etwas von Metallbearbeitung verstanden. Mrs. Coulter konnte nur staunend davorstehen. Bei dem Lärm war es unmöglich, sich verständlich zu machen, und so versuchte das auch niemand erst. Lord Asriel winkte der kleinen Gruppe zu, ihm über einen vergitterten Laufsteg über eine gewaltige Grube zu folgen. Unter ihnen waren Bergleute mit Hacke und Schaufel damit beschäftigt, das glänzende Erz aus dem Fels zu hauen.
    Sie überquerten den Laufsteg und betraten einen langen Felsengang, wo fremdartig schillernde Stalaktiten von der Decke hingen. Der Lärm der Hämmer und Schneidemaschinen schwoll allmählich ab. Mrs. Coulter spürte einen kühlen Luftzug auf ihrem erhitzten Gesicht. Die Licht spendenden Kristalle waren weder auf Leuchtern noch Sockeln befestigt, sondern hier und da auf dem Boden verstreut. Auch fehlten brennende Fackeln, die die Luft erwärmt hätten, so dass die kleine Gruppe wieder eine angenehme Kühle spürte. Bald da rauf befanden sie sich wieder unter dem offenen Nachthimmel.
    Sie standen vor einem Platz, wo man ein Teil des Felsmassivs weggegraben hatte und nun eine freie Fläche von der Größe eines Exerzierfeldes entstanden war. Weiter weg sah man, schwach erleuchtet, große Eisentore in der Felswand, von denen nur einige offen standen. Aus einem zogen Arbeiter gerade ein schweres, von einer Plane verdecktes Gerät.
    »Was ist denn das?«, fragte Mrs. Coulter den afrikanischen König.
    »Das ist der Intentionsgleiter.«
    Mrs. Coulter konnte sich darunter nichts vorstellen und beobachtete umso gespannter, wie die Männer sich anschickten, die Plane abzunehmen.
    Sie rückte näher an König Ogunwe heran, als suchte sie bei ihm Schutz: »Wie funktioniert das? Was kann man damit machen?«
    »Das werden wir gleich zu sehen bekommen«, sagte der König.
    Das Gerät sah aus wie eine komplizierte Bohrvorrichtung oder wie das Cockpit eines Gyropters oder die Kabine eines schweren Krans. Unter einer gläsernen Kanzel befand sich ein Sitz und davor ein Armaturenbrett mit rund einem Dutzend Hebeln und Schaltern. Die Maschine stand auf sechs Beinen, deren jedes in einem anderen Winkel am Rumpf befestigt war, so dass sie energiegeladen und plump zugleich wirkte. Der Rumpf selbst bestand aus Rohren, Zylindern, Stößeln, Kabelsträngen, Ventilen und Schaltstangen. Man konnte nur schwer erkennen, was zu dem eigentlichen Intentionsgleiter gehörte und was nicht, denn der ganze Apparat war nur von hinten beleuchtet, so dass der vordere Teil im Schatten blieb.
    Lord Roke war auf seinem Falken direkt an die Maschine herangeflogen und betrachtete sie nun

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