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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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rotblonde Haar.
    »Verzeih mir, Liebste! Ich wollte das nicht.«
    »Schon gut.« Sie hob den Blick. »Du konntest es nicht wissen.«
    »Was?«
    »Nichts.« Sie zwang sich zu einem Lächeln und wischte sich die Wangen trocken. »Wenigstens hat uns niemand gesehen.« Ihr Kinn wies auf die leere Gasse. »Eigentlich ein großer Zufall, dass außer uns niemand unterwegs ist. Das muss wohl an der Hitze liegen. Die Leute sind sie allmählich leid.«
    »Der Sommer scheint in diesem Jahr gar kein Ende mehr zu finden.« Erleichtert ging er auf das Thema ein.
    »Septemberwärme dann und wann sagt einen strengen Winter an«, griff sie einen Spruch der alten Wirtschafterin Hedwig auf.
    »Dann und wann ist dieses Jahr leicht untertrieben. Doch lass uns die warme Zeit genießen, solange sie anhält. Bald werden wir lange genug am Ofen kauern.«
    »Du hast recht«, erwiderte sie. »Doch ich bin in Eile. Vor der Vesper will ich noch zu Apotheker Heydrich.«
    »Dann ziehst du also die Gesellschaft des alten Apothekerwitwers der meinen vor?« Er musterte sie mit einem schelmischen Blick. »Du spielst mit dem Feuer, meine Liebe. Schließlich solltest du nicht vergessen: Er hat drei Töchter im heiratsfähigen Alter. Die Verbindung mit mir als dem einzigen Sohn des Stadtphysicus und kurfürstlichen Leibarztes muss ihm lohnend erscheinen. Hast du es auf ihn abgesehen, um bei ihm ungehindert deine Salben zu zaubern, schnappe ich mir eine von den drei Töchtern. Viel Spaß, dann wirst du meine Schwiegermutter.«
    »Freu dich nicht zu früh, mein Lieber. Als deine Schwiegermutter werde ich dir so manche Lektion erteilen. Am besten nimmst du übrigens Friederike. Die ist zwar genauso dick wie die beiden anderen Heydrich-Töchter, aber sie hat wenigstens etwas Interesse am Laboratorium. Else und Minna dagegen denken nur an die Schlemmereien und wie sie sich etwas von den unerlaubten Genüssen aus der Offizin stibitzen können. Nicht einmal vor den Kaffeebohnen machen sie halt.«
    »Du scheinst dir ja schon Gedanken gemacht zu haben. Und du hast recht. Friederike hätte den Vorteil, dass wir beide uns weiterhin regelmäßig im Laboratorium sehen könnten. Während du mit dem Alten über dem Mikroskop grübelst, mische ich mit ihr am Tisch nebenan eine Rezeptur für die Galle der Witwe Ellwart oder das Zipperlein von Grünheide. Was für Aussichten! Komm, lass uns noch ein wenig nach nebenan in den Garten gehen. Eine kurze Rast auf einer Bank wird uns guttun. Der alte Heydrich in seiner Apotheke wird auch noch ein wenig länger warten können.« Übermütig warf er den Hut in die Luft, fing ihn einhändig auf und führte sie durch die offen stehende Pforte in den Gemeindegarten.
    Angenehme Kühle empfing sie in dem menschenleeren Garten. Der ähnlich wie der benachbarte Junkergarten angelegte Hof war von brusthohen Mauern umgrenzt. Ein gutes Dutzend Linden spendete angenehmen Schatten. Vom Pregel zog frische Luft herein. Die träge Nachmittagssonne spitzte durch die Zweige und zauberte ein Mosaik aus hellen und dunklen Flecken auf den staubtrockenen Lehmboden. Langsam färbte sich das Laub bunt, die ersten vertrockneten Blätter knisterten unter den Sohlen. Zielstrebig steuerte Carlotta einen abseits von den übrigen Bänken stehenden steinernen Stuhl an.
    »Interessant.« Christoph legte den Zeigefinger über die Lippen. »Es sollte mir zu denken geben, dass du unter all den möglichen Plätzen ausgerechnet den Ehebrecherstuhl wählst.«
    Erstaunt betrachtete Carlotta die Sitzgelegenheit. »Was ist damit? Wieso trägt der Stuhl diesen seltsamen Namen?«
    »Keine Sorge. Diese Bezeichnung ist irgendwann aufgekommen. Hier treffen sich die Handwerker und feiern ihre Gelage, genau wie nebenan die vornehmen Kaufleute und Junker im Junkergarten. Sieh dir nur die Bilder hinten an der Wand an. Sie zeigen, wie üppig Bier und Wein fließen, wie ungehemmt gezecht wird. Wer dabei gegen die Trinkordnung verstößt, der wird auf diesen Stuhl, abseits von den anderen, gesetzt. An ihm wird nicht so rasch nachgeschenkt wie an den anderen Plätzen. Was das mit Ehebruch zu tun hat, weiß ich allerdings nicht. Wahrscheinlich ist es einfach nur ein Armesünderbänkchen.«
    »Du bist auch nie um eine Erklärung verlegen«, erwiderte sie. »An dir ist wahrlich ein echter Spielmann verlorengegangen.«
    Das spornte ihn zu weiteren Späßen an. Mit beiden Füßen sprang er auf den nächstbesten gemauerten Tisch und begann ihr vorzuführen, wie sie sich das ungehemmte

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