Das Bernsteinerbe
kneteten die weiche, pralle Masse, fanden schließlich die Brustwarzen, spielten mit ihnen, bis …
»Ach, Humbert!«, seufzte sie. Heiß brandete eine Welle herauf, machte sie abermals stöhnen und keuchen. Dieses Mal vergaß sogar Steutner, ihr den Mund zu verschließen. Längst war auch er mit anderem beschäftigt. Sie lehnte den Kopf gegen seine Brust, vergrub das Gesicht im rauhen Stoff seines Mantels. Auch er begann, sich heftiger zu rühren, schnaufte, japste, rieb sich an ihr. Sie schlang die Arme um seine Schultern, zog ihn dicht zu sich heran, hob das Bein, ihn mit ihrem Schenkel zu umfassen.
Die Kälte um sie herum war vergessen, ebenso der seltsame Ort, an dem sie sich einander hingaben. Wie die Schneeflocken auf Steutners Nasenspitze schmolz auch ihr Groll, dass er sie seit dem verpatzten Stelldichein im Grafenkrug vor mehr als zwei Wochen kaum mehr angefasst hatte. Jetzt, da sie sich zufällig bei den leeren Marktbuden am Junkergarten getroffen und einige Minuten freie Zeit füreinander hatten, zählte das alles nicht mehr. Im trüben Licht des schwindenden Novembertags galt es einzig, die günstige Gelegenheit zu nutzen. Endlich allein mit dem Liebsten, endlich weit weg von all den neugierigen Blicken, den lästigen Fragen. Endlich voll Begierde, unter den Berührungen des anderen dahinzugleiten auf den sanften Wogen der Lust.
»Ach, Liebste«, stöhnte Steutner. Ungeduldig hob er ihren Rock. Schon spürte sie die Schwellung an seinem Unterleib.
»Humbert, komm«, raunte sie und fasste entschlossen mit der Hand in seinen Schritt. Mit den Lippen fuhr sie ihm über die Wangen, schnappte nach seinem Ohrläppchen, saugte immer gieriger daran. Gleichzeitig lehnte sie sich nach hinten, stieß gegen eine hüfthohe Mauer. Sanft nahm er sie hoch, setzte sie darauf und drängte sich gegen sie. Willig spreizte sie die Beine.
»Unschuldig bist du wohl nicht mehr«, raunte er ihr ins Ohr.
»Was?«
Es war das jähe Erwachen aus einem schönen Traum. Sie blinzelte ihn an, brauchte eine Zeitlang, bis sie wieder scharf sehen und vor allem klar denken konnte.
»Worauf willst du hinaus? Du bist doch selbst nicht gerade zum ersten Mal mit einer Frau zugange. Ach, ihr Mannsbilder seid doch alle gleich!«
Wütend stieß sie ihn von sich. Die halboffene Hose drohte ihm vom dürren Hintern zu rutschen. Hastig griff er danach, zog sie hoch und sah sie erschrocken an.
»Liebste, ich meine doch nur, ich will ja gar nicht, ach, vergiss es!«
Er machte eine abwehrende Bewegung mit der Hand. Schweigend sah sie zu, wie er sich das Hemd in die Hose stopfte, den Gürtel verschnürte und schließlich den Mantel darüber glatt strich. Auch sie ordnete Kleid und Umhang, zog den Schal über das strohblonde Haar. Tränen kullerten ihr über die runden Apfelwangen, die nassen Wimpern klebten feucht aneinander. Kaum spürte sie die Kälte der Schneeflocken, die um sie herum zur Erde rieselten.
Die Gelegenheit war vertan. Dennoch konnten sie beide sich nicht voneinander abwenden und jeder seines Weges gehen. Es war, als hielte sie noch etwas an diesem trostlosen, verlassenen Ort nahe des Pregelufers fest.
Dunkelheit senkte sich herab. Die verriegelten Buden und die kahlen Bäume warfen finstere Schatten auf das Pflaster. Nicht mehr lang, und die Tür am Haus in der Langgasse wurde geschlossen. Kaum wagte Lina sich vorzustellen, wie verbissen Hedwig die schmalen Lippen zusammenkniff und sich ihren Teil dabei dachte, dass sie nicht rechtzeitig zur Vesper nach Hause gekommen war.
Humbert Steutner vergrub die Hände in den Hosentaschen und scharrte mit den Stiefelspitzen über den glitschigen Boden. Letzte Reste von Laub und Steingeröll mischten sich mit dem Schnee. Dichter und dichter wurde das Weiß um sie herum. Ein Hund bellte in der Ferne. Lina schwankte. Der kleine Karl fiel ihr ein. Viel zu lange hatte sie nicht über ihn gesprochen, mit Steutner noch gar nicht. Offenbar war es Zeit für die Wahrheit. Sie holte Luft.
»Du hast recht«, kam Steutner ihr zuvor. »Es tut mir leid. Der Ort ist falsch, was ich getan habe, ist falsch. Ich hätte dich nicht so bedrängen sollen. Alles habe ich kaputtgemacht. Verzeih!«
Hastig hauchte er ihr einen Kuss auf die Wange, drückte sich den breitkrempigen Hut tief ins Gesicht und wollte in der schützenden Nacht verschwinden. Fassungslos sah sie ihm nach. Noch bevor er die nächste Ecke erreicht hatte, stürmten zwei Gestalten auf ihn zu. Kurz darauf folgten weitere nach. Lina
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