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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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daruntergestopft. Gewiss sorgte ein heißer Stein an den Füßen dafür, ihm auch von unten herauf Hitze zu bereiten. Ein letztes Mal strich die fleischige Hand der Keplerin über das Federbett. Dann erst wandte sie sich an Carlotta.
    »Mein Sohn ist wieder drüben bei Pantzer im Laboratorium. Die zwei brüten Gott weiß was aus.« Ihr aschblondes Haar wirkte ob dieser Worte noch fahler, das Doppelkinn wackelte. Gesenkten Kopfes verließ sie die Stube und schob Hanna gleich mit hinaus. Carlotta atmete auf.
    »Ab morgen braucht Ihr mir Eure Aufwartung nicht mehr zu machen«, verkündete Kepler statt einer Begrüßung vom Krankenbett her. Ächzend schlug er das Federbett zurück und setzte sich auf. Es schien, als habe er nur auf den Moment gewartet, in dem die Tür hinter Frau und Tochter ins Schloss fiel, um sich aufzurichten. Seine buschigen Augenbrauen zogen sich eng zusammen, die dunklen Augen blickten freudlos, die riesige Nase bebte.
    »Fangt gar nicht erst an, Eure Tasche auszupacken. Das ist nicht mehr nötig. Auch die Tropfen könnt Ihr wieder einstecken.« Er reichte ihr die braune Glasphiole, die auf dem Schemel neben dem Bett stand. »Die Bernsteinessenz hat zwar nicht geschadet, wie das so manche in letzter Zeit gern behaupten. Ob sie aber wirklich zu meiner Genesung beigetragen hat, bleibt dennoch offen. Es ist die ewige Streitfrage: Woran gesundet der Mensch?« Mit einem kräftigen Satz schwang er die Beine zur Seite und blieb kerzengerade auf der Bettkante sitzen. »Wie Ihr seht, geht es mir prächtig. Gleich nachher werde ich unten in der Stube meine Studien wieder aufnehmen, ab morgen meine ersten Visiten machen. Der Kurfürst wartet bereits. Ob die rasche Besserung von Euren Wundertropfen rührt oder eher meiner guten Konstitution zuzuschreiben ist, spielt letztlich keine Rolle.«
    Zum ersten Mal sah er ihr geradewegs in die Augen. Sein brauner Bart zitterte in der warmen Luft. »Wo wir von Wunderessenzen sprechen, kommt mir die von Heydrich erwähnte Wundersalbe in den Sinn.«
    Ihr wurde flau. Sie bemühte sich, ihn ihre Verunsicherung nicht merken zu lassen, und wandte sich hastig der Tasche zu, um die Phiole darin zu verstauen.
    »Ihr erinnert Euch an jenen Tag in Heydrichs Laboratorium, an dem er mir stolz jene zähe Masse vorgeführt hat.« Carlotta blieb nur ein stummes Nicken, Kepler überging es mit einem abfälligen Grunzen. »Einen rechten Floh hat er meinem Sohn damit ins Ohr gesetzt. Seither träumt er davon, selbst hinter die Rezeptur zu kommen. Und sein Freund, dieser unselige Caspar Pantzer aus dem Löbenicht, ist genauso besessen davon. Kein Wunder, nagt wohl die große Enttäuschung an ihm, bislang noch nichts vergleichbar Gutes wie sein Vater ersonnen zu haben. Ihr kennt die Geschichte mit dem Theriak. Heydrich hat sie Euch natürlich erzählt. Ach, diese Apotheker! Immer haben sie nur eins im Sinn: es an die Universität zu schaffen und aus ihrer Salbenkocherei eine Wissenschaft zu machen. Doch unter uns gesagt, meine Teuerste«, Kepler winkte sie heran und senkte verschwörerisch die Stimme, »selten sind mir solch eitle Quacksalber begegnet wie die hier am Pregel. Längst habe ich dem Kurfürst davon abgeraten, auch nur einem von ihnen das Privileg der Hofapotheke zu verleihen. Sie reichen eben alle nicht an ihre Vorfahren heran.«
    Hämisch lachte er auf, steckte die knorrigen weißen Altmännerfüße in die Filzpantoffeln und strich das lange Leinenhemd über die Knie. Carlotta lief ein Schauer den Rücken hinunter. Ihre Finger glitten zum Bernstein.
    »Das könnt Ihr besser beurteilen als jeder andere«, sagte sie so beiläufig wie möglich. »Trotzdem solltet Ihr mich jetzt meine Arbeit tun und Euren Puls fühlen lassen.«
    Sie griff nach seinem Handgelenk und tastete nach der richtigen Stelle. Gleichzeitig behielt sie seine Augen im Blick, bemerkte den trüben Schimmer, der immer noch darin lag. Auch die dunklen Schatten in dem ausgezehrten Gesicht waren nicht zu übersehen. Dennoch war es vergebens, ihn zu weiterer Vorsicht zu mahnen.
    »Falls Ihr wieder in Ohnmacht fallt, weiß Euer Sohn inzwischen, was zu tun ist«, stellte sie knapp fest.
    »Davon gehe ich aus«, erwiderte er, ohne sie anzusehen. »Irgendwas muss der Lümmel ja doch gelernt haben.«
    Ungeduldig nestelte er an den Ärmelaufschlägen seines Hemdes herum, versuchte vergeblich, mit seinen ungeschickten Fingern die Knöpfe zu schließen. Sie beugte sich vor, um ihm zu helfen. Widerwillig ließ er das

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