Das Bernsteinerbe
schon wiederhergestellt seid, bleibt abzuwarten.« Magdalena zeigte sich ebenfalls nicht sonderlich begeistert vom frisch erwachten Tatendrang des Altstädter Studenten. »Doch jeder ist seines eigenen Glückes Schmied.«
Nach einem knappen Nicken schickte sie sich an, wieder auf den Wagen zu steigen. Carlotta reichte Thiesler zum Abschied die Hand. Unauffällig übergab sie ihm dabei eine braune Glasphiole.
»Passt gut auf Euch auf«, bat sie leise. »Für alle Fälle solltet Ihr die nächsten Tage noch morgens und abends je zehn Tropfen dieser Essenz einnehmen. Es ist eine Art Theriak, angereichert mit Myrrhe, Enzian und Aloe. Daraus schöpft Euer Körper zusätzliche Kraft. Das schadet nie.«
»Ich danke Euch. Ihr selbst habt mir die beste Kraft gespendet, um wieder zu gesunden. Schade, dass ich ab morgen auf diese Medizin verzichten muss.«
»Ohne mich wird es Euch rasch bessergehen«, erwiderte Carlotta zaghaft schmunzelnd. »Nur meinetwegen ist es zu dem Kampf in Brandenburg gekommen. Ich stehe tief in Eurer Schuld. Es hat Euch fast das Leben gekostet, mir beizustehen.«
»So dürft Ihr nicht reden«, wiegelte Thiesler ab. »Es war meine Pflicht und Schuldigkeit, Euch gegen diesen Narren zu verteidigen. Jederzeit würde ich das wieder tun, selbst wenn es mir abermals an den Kragen ginge. Wie sonst sollte ich Euch je überzeugen, dass wir Königsberger nicht nur mit den Worten, sondern gelegentlich tatsächlich auch mit den Händen zu kämpfen wissen?«
Verschwörerisch zwinkerte er ihr zu. Dabei verzog sich die von den Blessuren immer noch stark verquollene Mundpartie zu einer lustigen Fratze. Carlotta musste lachen.
»Auf jetzt!«, rief Tromnau ungeduldig. »Der Tag war lange genug. Morgen früh heißt es wieder zeitig aus den Federn kriechen, sonst holen wir die Verspätung niemals auf!«
»Die wir ohnehin nur dank der Herrschaften haben«, ergänzte Hohoff missmutig.
»Als ob es darauf noch ankäme«, entgegnete Thiesler, half Carlotta jedoch, auf den Wagen zu klettern. »Gute Reise!«
»Auch für Euch!« Sie winkte zum Abschied. Mit einem Ruck setzte sich das Fuhrwerk in Bewegung.
Tromnau ließ es sich nicht nehmen, die beiden Frauen mitsamt ihrem Gepäck persönlich zum Haus ihres Gastgebers unweit des trutzigen Frauenburger Wasserturms am Fuße des Domhügels zu bringen. Dank der fortgeschrittenen Stunde fiel der Abschied dort jedoch kurz aus, was Carlotta nicht bedauerte. Zwar hatte der Löbenichter Kaufmann seit dem Gespräch im Brandenburger Krug in ihren Augen an Ansehen gewonnen, dennoch war sie erleichtert, die nächste Zeit in Frauenburg weitab von den Königsberger Erlebnissen zu sein.
Schon mit dem Betreten des Hauses hatte sie das Gefühl, alles hinter sich lassen zu können. Hartungs Besitz verhieß mannigfaltige Ablenkung und die Möglichkeit zu vielen interessanten Gesprächen über ganz andere Themen. Gleich beim ersten Umschauen in der geräumigen Diele wähnte sie sich im Paradies. In jedem Winkel gab es etwas zu entdecken. Bald fürchtete sie, ihr Aufenthalt bei dem liebenswürdigen älteren Herrn mit dem schütteren grauen Haar reiche bei weitem nicht aus, all die wunderlichen Gegenstände gebührend zu bestaunen. Vom Erdgeschoss bis weit unters Dach lagerten ausgestopfte Tiere, seltene Pflanzen, ungewöhnliche Mineralien sowie farbenprächtige Waffen, eigenartige Kleidungsstücke und andere Dinge mehr. Der Hausherr hatte sie aus aller Herren Länder zusammengetragen und wusste viel darüber zu erzählen.
»Mir scheint, über all dem Gaffen vergisst du am Ende, warum wir hierhergekommen sind«, merkte Magdalena an, sobald sie in ihrem Gastzimmer im zweiten Geschoss allein waren. »Hast du eine Idee, wieso Mathias in Brandenburg aufgetaucht ist? Es könnte bedeuten, dass viel mehr Menschen über unseren Weggang Bescheid wissen, als uns lieb ist. Dabei dachte ich, dank Schrempfs verschwiegenem Vorgehen hätte niemand etwas von unserer Abreise mitbekommen.«
»Mach dir keine Gedanken. Mathias hat ganz andere Sorgen, als uns nachzureiten. Gerade er muss darauf bedacht sein, niemanden wissen zu lassen, wo er sich befindet. Das heißt auch, dass er niemandem von unserem Aufenthalt erzählen wird. Noch dazu, wo er gar nicht weiß, dass wir inzwischen in Frauenburg eingetroffen sind.«
»Ich frage besser nicht, was du da gerade andeutest«, erwiderte Magdalena. »Mathias war schon immer unberechenbar. Er ändert sich wohl nie. Ausgerechnet der tapfere Thiesler hat das ausbaden
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