Das Bernsteinerbe
wälzen. Dabei spielt es keine Rolle, ob Ihr in Afrika und Westindien wart oder nicht. Selbst wenn Ihr nur die Hälfte oder vielleicht ein Drittel Eurer Schätze auf eigenen Reisen besorgt habt, so zeugt doch allein die Anlage der Sammlung von Eurem profunden Wissen und Eurer gewaltigen Leistung. Vor niemandem müsst Ihr Euch verstecken, geschweige denn schämen, weil Ihr einige der Kostbarkeiten über einen Händler gekauft habt.«
Sie machte einige Schritte auf die Schaukästen zu, betrachtete die Schmetterlinge und die Mineralien, besah sich einige der Zeichnungen an der Wand.
»Ihr seid zu gütig«, beeilte Hartung sich zu versichern.
»Nicht der Rede wert. Eins solltet Ihr mir aber sagen.« Magdalena trat dicht vor ihn hin und hob den Kopf, ihn geradewegs anzuschauen. Sie reichte ihm kaum bis zum Kinn.
»Ich sage Euch alles, was Ihr wissen wollt«, bekräftigte der Endvierziger und legte sich zur Untermauerung die rechte Hand aufs Herz.
»Wann habt Ihr meinen Gemahl kennengelernt und begonnen, Geschäfte mit ihm zu machen?« Eindringlich suchte Magdalena seinen Blick. »Wie oft war er bei Euch hier in Frauenburg? Wann zuletzt? Hat er Euch etwas über seine Pläne verraten?«
Hartung stutzte, vielleicht, weil er sich darüber mokierte, was sie alles zu wissen begehrte. Oder weil er nach einer Ausflucht suchte.
»Kennengelernt haben Euer Gemahl und ich uns vor fast zwei Jahrzehnten«, begann er endlich doch. »Noch zu Zeiten des Großen Krieges. Er war gerade aus der Gefangenschaft bei den Franzmännern entkommen und galt als einer, der alles beschaffen konnte, wirklich alles «, betonte er vielsagend. »Gute Beziehungen zu den Parteien, insbesondere zu den Schweden, ermöglichten ihm das. Ein gemeinsamer Bekannter, ein schwedischer Hauptmann, brachte uns in einem Würzburger Kloster zusammen.«
»Das muss Englund gewesen sein, Erics Vetter«, warf Magdalena ein. Hartung nickte.
»Nach Ende des Krieges haben wir uns dann meist in Leipzig oder Frankfurt auf der Messe getroffen. Hier oben in Frauenburg hat er mich leider nur selten besucht, zuletzt kurz vor seinem Tod vor vier Jahren. Es war mir eine große Freude, ihm jedes Mal meine Sammlung vorzuführen. An deren Zustandekommen hatte er schließlich großen Anteil. Allerdings ging es ihm damals bereits schlecht, gleichzeitig war er in großer Eile wegen einer dringenden Angelegenheit in Königsberg. Dort ist er wenig später in Euren Armen gestorben, verehrte Frau Grohnert.«
Ergriffen faltete er die Hände wie zum Gebet und sah wieder zu Boden.
Magdalena kehrte sich ab und starrte stumm aus dem Fenster, als gelte es, die spärlich gewordenen Schneeflocken zu zählen. Schwungvoll drehte sie sich kurz darauf wieder um und lächelte den Frauenburger Kaufmann aufmunternd an.
»Ich danke Euch für Eure Offenheit, mein Bester, sie ist Euch nicht leichtgefallen. Umso höher rechne ich sie Euch an. Damit habt Ihr einige wichtige Unklarheiten beseitigt, die mich seit dem Tode meines Gemahls quälen. Wie oft habe ich mich gewundert, wieso er mir nur Ungenaues erzählt und geheimnisvolle Buchungen in den Kontorbüchern durchgeführt hat. Dabei wollte er einfach nur nicht so recht zugeben, mit welch eigenartigen Waren er handelt, vielleicht auch mit Informationen. Doch nicht einmal über die letzten Jahre im Großen Krieg hat er mir jemals wirklich Rechenschaft abgelegt. Dank Euch aber weiß ich jetzt, was er damals getan hat: Eure Sammlung mit seltenen Schätzen bestückt!«
»Und die Parteien mit Nachrichten versorgt«, ergänzte Hartung schmunzelnd.
»Alle wohl zu gleichen Teilen«, fügte Magdalena hinzu.
»Ja, keiner wusste mehr als der andere, das war ihm wichtig.« Hartung zwinkerte.
»Aber warum? Was soll das?« Carlotta verstand immer weniger und begann stattdessen, an der Aufrichtigkeit nicht nur ihres Vaters, sondern auch Hartungs und sogar Magdalenas zu zweifeln.
»Ruhig Blut, Liebes«, beschwichtigte die Mutter sie. »Daran ist überhaupt nichts Beunruhigendes. Dein Vater wusste, was er tat, und er hat es sicher zum allgemeinen Wohl getan. Davon abgesehen wollte er gewiss nicht zugeben, mit ausgestopften Affen oder bunten Schmetterlingen zu handeln. Ganz zu schweigen davon, dass er seinen Freund Hartung nicht bloßstellen wollte. Deshalb werden wir beide auch nie ein Wort über das Zustandekommen Eurer Sammlung nach außen dringen lassen, verehrter Hartung. Darauf gebe ich Euch mein Ehrenwort.«
Sie streckte ihm die schmale,
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