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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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vollständigen Sätzen war sie jedoch außerstande. »Helft, Steinackerin, dringend! In der Eingangshalle. Bitte!«
    »Was ist los?« Verständnislos schaute Adelaide die Novizin an, rührte sich jedoch nicht.
    »Ist jemand verletzt?«, fragte Magdalena und raffte bereits ihren Rock. Sie eilte zur Tür und winkte Carlotta, ihr zu folgen.
    Endlich löste sich Adelaide aus ihrer Starre. »Zeig uns, was los ist«, sagte sie zur Novizin, die erleichtert den Frauen vorauslief. Zögernd setzte sich auch Hartung in Bewegung.
    Auf dem Weg zur Eingangshalle erklärte die Novizin knapp, was geschehen war: »Eben hat es an der Pforte geklopft. Eine Gruppe Reiter stand davor. Erst hat die Pförtnerin nicht öffnen wollen. Gar zu grausig haben die Männer ausgesehen. Fremd waren sie obendrein. Zwei von ihnen haben einen schrecklich zugerichteten Reisenden in der Mitte gehabt, den sie stützen mussten. Kaum hat er einen Fuß vor den anderen setzen oder den Kopf heben können. Sobald er drinnen war, hat er die Besinnung verloren, ist zu Boden gesunken. Die anderen Reiter haben nichts erklärt, nur, dass sie den Ärmsten unterwegs aufgelesen haben. Hinter Braunsberg etwa. Im Straßengraben hat er gelegen. Kein Pferd, von dem er gestürzt ist, kein Begleiter, der etwas sagen könnte. Bluten tut der Mann nicht. Offenbar hat er keine offene Verletzung. Er sieht nicht danach aus, überfallen und ausgeraubt worden zu sein. Trotzdem scheint er dem Tode nahe.«
    »Das wird sich noch zeigen«, stellte Magdalena fest. »Was ist mit Eurem Medicus? Weiß er schon Bescheid? Es muss doch einen Arzt oder Wundarzt im Spital geben. Ruft ihn sofort.« Sie versuchte, sich rasch ein Bild von den Gegebenheiten zu machen. »Gibt es einen Saal, wo man den Mann versorgen kann? Habt Ihr Instrumente, falls er operiert werden muss? Schickt einen Boten in die Stadt hinunter. Sie sollen unsere Wundarzttasche aus Hartungs Haus holen. Sie steht oben in unserer Kammer, auf der Truhe unter dem Fenster. Schnell, schnell! Es bleibt nicht viel Zeit!«
    »Das ist nicht nötig. Das Spital ist für alles gerüstet«, erklärte Adelaide und schloss nach vorn auf. »In meiner Apotheke gibt es alles, was wir brauchen, um einen Kranken zu versorgen.«
    »Einen Kranken gewiss, aber was ist mit einem Schwerverletzten? Seit wann hast du Wundarztbesteck?« Aufgebracht herrschte Magdalena die Base an, besann sich jedoch gleich wieder. »Verzeih, die Aufregung macht mich ungeduldig. Lass uns sehen, was genau vonnöten ist. Ruft endlich auch Euren Medicus.«
    »Das geht nicht«, wandte die Novizin zaghaft ein. »Der ist drüben beim Bischof und darf dort nicht gestört werden. Bader gibt es unten in der Stadt. Aber der Doktor möchte nicht, dass sie zu uns ins Spital kommen.«
    Sie erreichten die Eingangshalle. Schweigend standen ein halbes Dutzend Nonnen an der hinteren Wand, in der Mitte umstanden drei dickvermummte Männer den offenbar immer noch auf dem bloßen Steinboden liegenden Patienten. Zwei weitere Männer in hohen Stiefeln und mit breiten Schlapphüten redeten auf die Pförtnerin ein. Überrascht schnappte Magdalena einige Worte auf, erkannte, dass es Schwedisch war. Sie wechselte einen vielsagenden Blick mit Carlotta.
    »Lasst uns durch«, bat sie auf Schwedisch und dankte Gott im Stillen, dass sie die Sprache ihrer einstigen Widersacher im Großen Krieg nicht verlernt hatte. Zögernd traten die Männer beiseite.
    Carlotta ging neben dem Patienten auf die Knie, Magdalena tat es ihr auf der anderen Seite nach. Der Mann lag zusammengekrümmt auf der Seite. Sein Umhang verdeckte das Gesicht, auch der riesige Hut lag noch über seinem Kopf. Behutsam hob Carlotta ihn an, während Magdalena vorsichtig die Schultern packte, um den Mann umzudrehen.
    »Nein!«, schrien sie beide gleichzeitig auf: Vor ihnen lag Mathias!
    Auf ihren Schrei hin schob Adelaide sich zu dem Patienten vor und sah von oben auf ihn herab. Als sie ihres Sohnes gewahr wurde, erstarrte sie, kniff die roten Lippen zusammen und reckte die Nase nach oben. Ein leises Zittern ergriff Besitz von ihrem schlanken Leib. Magdalena erhob sich und trat bedächtig auf die Base zu.
    »Er lebt«, sagte sie leise und reckte sich, um ihr den Arm um die Schultern zu legen. Adelaide zeigte keine Reaktion. Schweigend verharrte Magdalena nahe bei ihr.
    Carlotta befreite Mathias’ Körper von dem störenden Umhang und untersuchte ihn. Blutende Wunden waren tatsächlich nicht festzustellen. Lediglich im Gesicht, vor allem an

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