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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Jahren unvermittelt vor sich zu sehen und dann auch noch zwischen Leben und Tod schwebend, musste selbst eine sonst so beherrschte Frau wie Adelaide durcheinanderbringen.
    Energisch klopfte jemand an die Pforte. Zunächst achteten die beiden Frauen nicht darauf, wollten endlich zur Apotheke gehen. Das Pochen wurde lauter und ungeduldiger. In der Hoffnung, Hartung kehre überraschend schnell mit der Wundarzttasche zurück, eilte Magdalena zur Tür. Die Pförtnerin würde ihr angesichts der Ereignisse verzeihen, ihr zuvorgekommen zu sein. Viel zu weit weg erklangen erst ihre schlurfenden Schritte und das Klappern der Schlüssel. Begleitet vom Gemurmel der Fremden, die den armen Mathias vorhin gebracht hatten, war sie auf dem Weg zurück in die Eingangshalle.
    Die doppelflügelige Eichentür an der Pforte war schwer. Magdalena brauchte viel Kraft, um sie aufzureißen. »Gott zum Gruße!«, hörte sie eine wohlbekannte, volltönende Männerstimme. Überrascht blickte sie Helmbrecht mitten ins Gesicht.
    »Magdalena, Ihr hier?« Sein narbenübersätes Antlitz erblasste. Die bernsteinfarbenen Augen verdunkelten sich, die schwarzen Einsprengsel darin verschwanden fast. Trotzdem spürte sie sogleich eine angenehme Wärme durch ihren Körper ziehen. Es war, als wollte ihr Innerstes bestätigen, wie sehr sie sich freute, ihn wiederzusehen.
    Sie fasste sich als Erste. »Habt Ihr mich nicht längst erwartet? Der gute Hartung hat mir berichtet, wie Ihr seit Tagen bei ihm anklopft. Ich dachte, Ihr harrt ungeduldig meiner Ankunft. Hier bin ich also.«
    »Ja, aber …«, setzte er an, brach allerdings gleich wieder ab. Adelaide löste sich aus dem Hintergrund und kam ebenfalls näher. Entgeistert schaute er sie an, sein Blick wanderte zu Magdalena, dann wieder zu Adelaide.
    »Sorgt Euch nicht«, erklärte Magdalena ruhig. »Meine Base und ich haben längst alles zwischen uns geklärt. Kommt lieber herein, sonst erfrieren wir alle. Die Luft draußen ist einfach zu eisig.« Entschlossen zog sie ihn in die Eingangshalle.
    »Ihr habt Euch nichts vorzuwerfen«, stellte Magdalena klar. »Ihr habt Euren Schwur nicht gebrochen. Die Steinackerin und ich haben uns eben erleichtert in die Arme genommen. Hartung wusste nicht, wie wir zueinander stehen. Er wollte Carlotta und mir lediglich die gutausgestattete Apotheke des Spitals vorführen. Rein zufällig hat er uns so zusammengeführt.«
    »Dann habt Ihr uns also wirklich allein Tante Adelaides wegen nicht nach Frauenburg lassen wollen? Ihr allein galt Euer Schwur?« Unbemerkt war Carlotta zu ihnen getreten. Sie musste im Schatten der alten Pförtnerin in die Diele zurückgekehrt sein. Auch die fünf Reisenden, die Mathias aufgelesen hatten, standen hinter ihr. Verwirrt betrachtete Magdalena die Tochter. Sie verstand nicht, wieso sie ihn so vorwurfsvoll anstarrte.
    »Wem hätte sein Versprechen sonst gelten sollen?«
    »Aber da ist doch noch diese Marietta Leuwenhoeck, die kürzlich bei uns in Königsberg aufgetaucht ist. Hartung hat sie vorhin erwähnt, wie du dich erinnerst. Und unser guter Helmbrecht bahnt ihr überall die Wege«, sagte die Siebzehnjährige und blickte vorwurfsvoll zu Helmbrecht. »Selbst bei alten Freunden von Vater und dir führt er sie ein.«
    Um die Mundwinkel des Leipziger Kaufmanns zuckte es, die Pockennarben auf seinen Wangen färbten sich rot. Es war nicht eindeutig zu unterscheiden, ob er sich ärgerte oder ob er belustigt war. Indes wurde Magdalena klar, worauf Carlotta hinauswollte, und brach in schallendes Gelächter aus.
    »Liebes, was hast du dir nur für Gedanken gemacht?« Mütterlich schloss sie die Tochter in die Arme und drückte sie an sich. »Mariettas wegen musst du dir keine Gedanken machen. Alles wird gut, vertrau mir.«
    Erstaunt merkte sie, wie die Tochter sich bei ihren Worten versteifte. Unsanft schob Carlotta sie weg.
    »Das wird man erst noch sehen. Besser, ich gehe wieder zu Mathias. Er braucht mich dringend.«
    Bei diesen Worten erwachte Adelaide zum Leben. Die ganze Zeit über hatte sie sich im Hintergrund gehalten. Nun aber machte sie Anstalten, Carlotta zu folgen. Magdalena wollte sie aufhalten.
    »Bleib bei Mutter«, erklärte Carlotta unerwartet schroff. »Noch ist Mathias nicht bei Bewusstsein. Falls er überhaupt je wieder aufwacht, ist es das Beste, wenn er dich nicht sofort sieht. Vier Jahre hast du ihn glauben lassen, du wärest tot. Erst durch mich hat er letztens die Wahrheit erfahren. Also wirst du ihn gut noch einige Tage

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