Das Bernsteinerbe
begraben und Frieden mit ihr schließen. Gerade die Erlebnisse auf der letzten gemeinsamen Reise nach Thorn aber standen wie eine nicht zu überwindende Mauer zwischen ihnen. Damals hatte Adelaide einen schrecklichen Verrat an Carlotta und ihr begangen. Von ihr der Hexerei bezichtigt worden zu sein, hätte sie beide fast das Leben gekostet. Auch Helmbrecht hatte Adelaide seinerzeit angestiftet, sie im Stich zu lassen. Magdalena schauderte. Ein schreckliches Gefühl von Einsamkeit erfasste sie. So einfach war es eben nicht, mit dem, was geschehen war, abzuschließen. Adelaide bemerkte ihr Zaudern. Das Lächeln auf dem schönen Gesicht erstarb für einen Moment, dann aber hellte sich ihre Miene wieder auf.
»Was damals geschehen ist, tut mir schrecklich leid. Doch ich habe es an anderer Stelle schwer büßen müssen. Helmbrecht wird dir erzählt haben, was in jener Nacht gleich nach deinem und Carlottas Weggang passiert ist.« Erwartungsvoll sah sie Magdalena an.
»Ja«, antwortete Magdalena bloß. Es fiel ihr schwer, dem durchdringenden Blick der schwarzen Augen standzuhalten. Unerbittlich schob sich das Wissen um Adelaides entsetzliches Schicksal vor die Erinnerung an den schmählichen Verrat: Als einzige Frau hatte die Base in jener Nacht nach dem Verrat einen grausigen Überfall auf die Reisegesellschaft überlebt. Anschließend hatte sie Helmbrecht gebeten, Magdalena nichts von ihrem Aufenthaltsort zu verraten. Ihr Sohn sollte gar glauben, seine Mutter wäre bei dem Überfall ums Leben gekommen. Statt sich weiter zu erklären, breitete Magdalena ihrerseits die Arme aus. Adelaide verstand sofort. Erleichtert fielen die Basen einander in die Arme und hielten sich fest umklammert, als wollten sie nie mehr voneinander lassen.
»Es freut mich so, dich wohlauf zu sehen«, sagte Magdalena. Verlegen wischte sie sich die feuchten Augenwinkel. »Es war eine Qual für mich, von Helmbrecht zu erfahren, was du durchgemacht hast. Schade, dass wir all die Jahre so nah beieinandergelebt haben und nichts voneinander wussten.«
»Ich wusste immer, wo du bist.« Ein eigenartiges Funkeln trat in Adelaides Augen. Magdalena wich zurück. Im nächsten Moment bedauerte die Base ihr schroffes Verhalten und lächelte entschuldigend. »Helmbrecht besucht mich regelmäßig. Doch glaub mir, ich konnte mich einfach nicht bei dir melden. Lange Zeit schien es mir besser, alle hielten mich für tot. In gewisser Weise bin ich in jener Nacht damals vor Thorn auch gestorben. Die Adelaide Steinacker aus Frankfurt gibt es nicht mehr, und das ist wohl besser so.«
Sie reckte die Nase in der gewohnten Manier und schürzte die roten Lippen. Magdalena schluckte, stand die Geste doch in krassem Gegensatz zu ihrer Behauptung. Gewiss aber hatte die Base recht: Die Adelaide aus den Frankfurter Jahren konnte und durfte es nicht mehr geben! Nur so war ein Weiterleben nach der furchtbaren Nacht bei Thorn möglich.
»So schrecklich deine Erlebnisse waren, so ermutigend finde ich, dass du einen neuen Anfang gefunden hast«, erwiderte sie. Abermals fasste sie die Base am Arm. »Eins aber hättest du nicht tun dürfen.«
»So?« Erstaunt zog Adelaide von neuem die Augenbraue hoch. Auch diese Geste kannte Magdalena nur zu gut.
»Mathias hättest du dein Schweigen nicht antun dürfen.« Erbost schnaufte Adelaide auf, wollte etwas sagen, Magdalena ließ sie jedoch nicht. »Das war das Schlimmste, was ihm passieren konnte. Er ist dein Sohn, der Einzige deiner Familie, der dir geblieben ist. Er musste denken, dich in jener Nacht schmählich im Stich gelassen zu haben. Das hat er sich nie verziehen.«
Harsch entzog sich Adelaide ihrer Hand, kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und sagte bedrohlich leise: »Das verstehst du nicht. Wie kommst du dazu, mir das vorzuwerfen? Er hat mich dort liegen sehen! Kannst du dir vorstellen, was das für mich bedeutet?«
»Verzeih«, lenkte Magdalena ein. Es war unbedacht gewesen, so mit der Tür ins Haus zu fallen. Sie musste Adelaide Zeit lassen. Früher oder später würde sich eine Gelegenheit für ein aufrichtiges Gespräch ergeben.
»Lass uns nicht mehr davon reden«, schlug Adelaide vor. »Hartung hat euch hierhergebracht, weil die Apotheke des Frauenburger Hospitals einiges an ungewöhnlichen Dingen aufzubieten hat. Daran ist er nicht unerheblich beteiligt, auch Helmbrecht hat seinen Teil dazu beigetragen.« Sie zwinkerte ihr zu. Magdalena verspürte einen Stich in der Brust.
»Keine Sorge«, wiegelte
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