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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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gekommen ist: ledige Mütter als Mägde, Köchinnen, die sich anmaßen, das Haus zu führen! Ich bin gespannt, was als Nächstes kommt.«
    »Prügelnde Kontoristen nicht zu vergessen«, ergänzte Steutner vorlaut. »Oder wollt Ihr Euren eigenen Part in der Angelegenheit verschweigen? Das lassen wir nicht zu, nicht wahr, mein guter Breysig?«
    Zustimmung heischend, klopfte er dem Schreiberkollegen auf die Schulter. Unentschlossen schaute der Kahlköpfige zwischen Steutner und Egloff hin und her.
    »Falls es Euch beruhigt«, meldete sich die Wirtin wieder zu Wort. »Dieses Getuschel ums Gesinde kann mir gestohlen bleiben. Viel mehr interessiert doch die Herrschaften in meinem Gasthaus, warum die Grohnerts bei Nacht und Nebel spurlos verschwunden sind.«
    Wie um ihre Sätze zu unterstreichen, pochte es energisch gegen die schwere Eichenholztür. Verwundert sahen alle einander an. Steutner fasste sich ein Herz und öffnete. Draußen im Regen standen der kurfürstliche Leibarzt Ludwig Kepler und die Kaufmannswitwe Dorothea Gerke.
    »Das sieht so aus, als hättet Ihr uns erwartet«, stellte Dorothea fest und trat ohne Aufforderung ein. Kepler folgte ihr. Neben der elegant in Schwarz Gekleideten wirkte er massiger und plumper als sonst. »Findet hier eine Versammlung statt?«
    Dorothea Gerke schlug die Kapuze ihrer Heuke zurück, drehte sich einmal um die eigene Achse, schenkte Milla mit dem Kind auf dem Arm einen abfälligen Blick und hielt erstaunt vor der Frau aus dem Grünen Baum inne.
    »Frau Wirtin, welch Überraschung! Was treibt Euch hierher?«
    Eine Antwort erwartete sie jedoch nicht. Schon trat sie zu Hedwig. »Ruft mir die verehrte Frau Grohnert, rasch. Es ist dringend.«
    Sie faltete die Handschuhe aufeinander und schritt quer durch den Raum, inspizierte mit angewiderter Miene den Topf über dem Herdfeuer und schüttelte den Kopf, sobald sie des Brotteigs auf dem Tisch gewahr wurde.
    »Was ist das hier eigentlich für eine Wirtschaft? Ich kann mir kaum vorstellen, dass die verehrte Frau Grohnert das duldet. Los, was stehst du da noch herum? Du sollst sie endlich rufen!«
    Energisch fuchtelte sie mit der Hand dicht vor Hedwigs Nase herum. Die verzog keine Miene.
    »Auf die Grohnert-Damen werdet Ihr hier nicht treffen.« Genüsslich schürzte die Wirtin die Lippen. »Da hättet Ihr letzte Woche im Löbenicht sein müssen. Mit Tromnau und Hohoff haben sie die Stadt verlassen.«
    »Was fällt Euch …«, versuchte Egloff, das Unausweichliche aufzuhalten, woraufhin ihm der behäbige Breysig überraschend schlagfertig über den Mund fuhr: »Tut mir leid, Verehrteste. Die hochgeschätzte Frau Grohnert lässt Euch gewiss noch eine Nachricht zukommen. Eine dringende Angelegenheit hat sie letzte Woche sofort nach Frauenburg reisen lassen. Inzwischen hat sie uns eine Botschaft geschickt. Gemeinsam mit ihrer Tochter ist sie wohlbehalten dort eingetroffen und auf dem besten Wege, alles rasch zu erledigen. Sobald sie die Geschäfte abgeschlossen hat, wird sie in den Kneiphof zurückkehren.«
    Zur Bekräftigung wedelte er mit einem Papier durch die Luft. Erstaunt wechselten Steutner und Egloff einen Blick, auch Lina war beeindruckt von Breysigs klugem Einschreiten.
    »Glaubt ihm kein Wort«, zischte die Wirtin. »Eben erst haben die feinen Herrschaften hier versucht, mich hinzuhalten. Aber nicht mit mir, meine Liebe! Ich habe das falsche Spiel durchschaut.«
    »Wenn die Grohnert-Damen nicht da sind, wer ist dann hier in Haus und Kontor verantwortlich?« Mit dröhnender Stimme brachte sich Ludwig Kepler in Erinnerung und wippte ungeduldig auf den Fußspitzen, was ihn noch furchteinflößender wirken ließ.
    »Womit können wir Euch dienen?« Egloff besann sich auf seine Aufgabe. »Wie Ihr wisst, bin ich der dienstälteste Schreiber im Haus. Ich habe sogar unter dem ehrwürdigen Paul Joseph Singeknecht seinerzeit hier in der Langgasse …«
    »Ja, mein Guter, das weiß ich sehr wohl«, fiel ihm Kepler ins Wort. Jetzt, da er den Hut in Händen hielt, kam sein aufgeregt rotes Gesicht voll zur Geltung. An den Schläfen pochte das Blut in blau angeschwollenen Adern. »Auch wenn ich erst seit knapp zwanzig Jahren hier am Pregel weile, kann ich mich gut an den alten Singeknecht erinnern. Ein aufrechter Mensch! Fünf Jahre noch hatte ich die Ehre, ihm als Physicus mit meinem Rat zur Seite zu stehen.«
    Er zwirbelte die Enden seines Bartes. Dann sprach er direkt zu Egloff: »Wo steckt mein Sohn?«
    »Bitte?«
    »Wo mein Sohn Christoph

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