Das Bernsteinerbe
uns. Diesem dahergelaufenen Streuner kann man das Kind jedenfalls nicht länger anvertrauen. Die Lina werden wir schon finden.‹ Dass ich dich dann so schnell auftreibe, ist natürlich ein Glücksfall.«
Selbstgefällig nickte sie und zog sich die Heuke strammer um den prallen Leib. Ihr Blick fiel auf Steutner, der immer noch reglos dastand.
»Mein Gefühl hat mir gesagt, weit vom Kneiphof wird die Lina heute nicht sein. Bei dem Wetter wird die Wirtschafterin aus dem Singeknecht’schen Haushalt sie auf den Markt schicken, um frische Zutaten für das Mittagsmahl zu besorgen. Die Gelegenheit habe ich gleich nutzen wollen, dich erst einmal allein zu sprechen. Ich bin gespannt, was die gute Hedwig dazu sagt, wenn du ihr jetzt das Kind ins Haus bringst. Und die Damen Grohnert erst! Doch wir werden sehen. Also, los geht es, meine Herrschaften, oder wollt ihr hier Wurzeln schlagen? Bei dem Regen ist das kein Vergnügen.«
Sie packte Lina am Arm und zog sie mit sich. Steutner rief sie über die Schulter hinweg zu: »Kommt lieber gleich mit, mein Bester. Wer weiß, was Ihr noch alles über die gute Lina erfahrt. Glaubt mir, es ist besser, mit einem Schlag alles zu hören. Dann wisst Ihr endlich, woran Ihr mit ihr seid. Ihr habt doch Interesse an ihr? Streitet es nicht ab! Ich habe Augen im Kopf. Eben habe ich Euch bei Eurem Stelldichein ertappt. Das allein wird der verehrten Frau Grohnert vor Augen führen, was sie sich mit der Lina ins Haus geholt hat. Und das, wo sie eine junge Tochter hat, die erst noch verheiratet werden will. Vielleicht hört sie dieses Mal auf mich.«
»Wie kommt Ihr dazu, mich …«, setzte Lina an. »Wer gibt Euch das Recht, derart über mich herzuziehen? Ihr seid ein niederträchtiges Klatschmaul! Schaut lieber, dass Euer verehrter Herr Gemahl des Nachts nicht in die Kammern …«
»Was fällt dir ein«, fuhr die Wirtin auf. »Wie redest du mit mir? Ganz zu schweigen, wie du den Ruf meines guten Karls besudelst. Mit eigenen Augen habe ich gesehen, wie du es erst letztens wieder versucht hast.«
»Lasst gut sein, verehrte Frau Wirtin.« Überraschend meldete sich Steutner zu Wort. »Ihr habt recht getan, gute Frau, das Kind an Euch zu nehmen und seiner Mutter zu übergeben. Anscheinend hat der Vater nicht die Absicht, sich weiter um den Kleinen zu kümmern. Den Rest regeln wir jetzt allein mit der verehrten Frau Grohnert. Vielen Dank für Eure Hilfe. Unsere Patronin wird sich gewiss noch bei Euch erkenntlich zeigen.«
Bestimmt fasste er Lina bei den Schultern und schob sie zur Brücke. Die Wirtin jedoch gab nicht auf.
»Das könnte Euch so passen! So schnell werdet Ihr mich nicht los. Ich komme natürlich mit und werde der verehrten Frau Grohnert höchstpersönlich erzählen, was Sache ist mit Lina und dem Kind. Auch die gute Hedwig soll es aus meinem Mund hören. Die ahnt gewiss schon lange, was die Lina für ein Kuckucksei ist.«
»Glaubt mir, Verehrteste«, säuselte Steutner, »Eure Absichten in allen Ehren. Aber die gute Frau Grohnert mag es nicht, wenn sich andere in ihre Angelegenheiten mischen. Gewiss wird sie Euch später eine Nachricht schicken, wie sie entschieden hat. Immerhin weiß sie, dass Lina bei Euch in Stellung gewesen ist. Auch des Kindes wegen wird sie sich melden. Doch zuerst wird sie sich ganz allein ein Bild von alldem machen wollen.«
Unauffällig gab er Lina ein Zeichen, davonzueilen, während er weiter auf die Wirtin einredete. Endlich begriff auch Lina: Keinesfalls durfte sie mit in die Langgasse kommen und die Abwesenheit der Patronin entdecken. Sie mühte sich, den schnellsten Weg durch das Gedränge einzuschlagen. Dabei fiel ihr ein, dass sie den Korb vergessen hatte. Wenn sie ohne Käse, Schmalz und Fisch nach Hause kam, würde Hedwig erst recht böse schimpfen! Umkehren aber durfte sie auch nicht mehr. Sie linste zurück, erspähte Steutners lange Gestalt inmitten des Gewühls von Köpfen, Hüten, Umhängen. Es sah so aus, als würde er die Wirtin nicht los. Lina schnaufte. Mit Karlchen auf dem Arm waren die verlorenen Einkäufe vorerst ohnehin die geringste Unbill, die sie zu Hause erwartete. Vielleicht gelang es ihr wenigstens, die anderen vor dem Auftauchen der Wirtin zu warnen. So rasch es ging, rannte sie über das glitschige Straßenpflaster nach Hause.
13
W ie siehst du denn aus?«, setzte Hedwig knurrend an, als sie öffnete, um entsetzt innezuhalten, auf Karl zu deuten und auszurufen: »Wie kommst du denn an den?«
Im nächsten Moment war ihr
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