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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Moment schlug er die Augen auf.
    »Carlotta, Ihr!«, wisperte er und verzog das faltige Gesicht zu einem schwachen Lächeln. »Ist der alte Griesgram endlich fort?«
    »Ihr seid wach?« Ratlos schaute sie zu Christoph. Auch der stutzte zunächst, begann dann aber schallend zu lachen.
    »Ihr seid ein Schelm, Vater!« Kopfschüttelnd setzte er sich zu ihm auf die Bettkante. »Sagt nur, es geht Euch gar nicht so schlecht? Ihr habt das alles nur gespielt, damit Carlotta und ich hierher zurückkommen?«
    Matt hob der alte Kepler die Hand, ließ sie schwer auf die Decke zurückfallen.
    »Das ist nicht wahr!«, entfuhr es Carlotta entrüstet. Im Gegensatz zu Christoph war ihr ganz und gar nicht zum Lachen. Ihr schmächtiger Leib bebte, sie spürte, wie die Empörung sie zittern ließ. »Wisst Ihr, was Ihr Eurer verehrten Frau Gemahlin und Eurer Tochter angetan habt? Um Euer Leben haben die beiden gebangt! Selbst der Kurfürst und viele andere in der Stadt haben bereits für Euch gebetet. So mancher hat bereits Kerzen für Euer Seelenheil entzündet. Wenigstens die schaden wohl nicht.«
    »So viele werden es nicht sein. Du vergisst«, warf Christoph schmunzelnd ein, »dass wir hier von Lutheranern umzingelt sind. Da zündet keiner eine Kerze für einen anderen in der Kirche an, wie das bei uns Katholiken guter Brauch ist.«
    »Du weißt wohl auf alles noch einen Scherz.«
    »Ihr irrt Euch, verehrtes Fräulein Carlotta«, erklärte der Alte unterdessen heiser. »Ich habe niemanden getäuscht. Mir ist es wirklich sehr schlecht gegangen. Aber jetzt, da ich Eure Gegenwart spüre, fühle ich mich gleich viel besser. Die eisige Luft«, er wies mit der Hand zum offenen Fenster, »und natürlich die Gewissheit, dass Ihr mir gleich Eure guten Tropfen verordnen werdet, sorgen dafür.«
    »Ihr solltet nicht so viel reden, Vater«, mahnte Christoph den alten Herrn. »Schließlich kostet Euch das zu viel Kraft.«
    Folgsam sank der Alte wieder tiefer in die Kissen.
    Carlotta seufzte leise. Sosehr es sie erleichterte, Ludwig Kepler in weitaus besserem Zustand zu sehen, als sie befürchtet hatte, so sehr regte sich in ihr weiterhin Entrüstung über sein Verhalten. Sie stellte die Wundarzttasche auf die Kommode zwischen den beiden Fenstern und suchte darin nach der Phiole mit der Bernsteinessenz. Mit Bedacht ließ sie sich dabei mehr Zeit, als nötig war. Von hinten trat Christoph zu ihr.
    »Du siehst ihm wohl alles nach«, wisperte sie ihm zu. »Kaum eine Woche ist es her, dass er dich dieser törichten Prügelei wegen aus der Stadt gejagt hat. Aber über sein jämmerliches Schauspiel, das deine Mutter und Schwester in höchste Verzweiflung gestürzt hat, lachst du. Was dein Vater hier treibt, ist kein Scherz mehr, Liebster!«
    »Halt ein, Liebste«, erwiderte Christoph und strich ihr sanft eine Strähne des rotblonden Haares aus der Stirn. »Lass uns später darüber richten. Schließlich zählt jetzt vor allem, dass er sich entscheidend besser fühlt, kaum dass du den Raum betreten hast. Mutter hat dich um Hilfe gebeten, und sogar Doktor Lange ist ohne Widerstand verschwunden. Ich bin mir sicher, das alles werden wir noch nutzen können. Vor allem, weil er ausdrücklich nach deiner Bernsteinessenz verlangt hat.«
    Er zwinkerte verschwörerisch, nahm ihr die Phiole aus der Hand und ging zum Bett zurück.
    »Zehn Tropfen morgens, mittags und abends davon in einen Becher verdünnten Weins, das rät unsere verehrte Wundärztin, Vater, und du wirst sehen, bereits nach wenigen Tagen kehren die Lebensgeister zurück. Diese Essenz hier ist übrigens ganz speziell zur Stärkung des Herzens aufbereitet.«
    Mit großer Geste träufelte er die Tropfen in den Becher. Als er ihn seinem Vater reichte, machte er einen Kratzfuß. Der Alte schmunzelte.
    »Solltet Ihr nicht besser vorsichtig sein?« Carlotta packte Keplers Handgelenk, um ihn am Trinken zu hindern. Verdutzt schaute der Alte zwischen ihr und seinem Sohn hin und her.
    »Erstens habt Ihr mir letztens selbst vorgehalten, wie wenig man die Wirksamkeit der Tropfen beweisen kann.«
    Eine leichte Röte huschte über die Wangen des alten Medicus. Beschämt wandte er sich ab.
    »Und zweitens dürft Ihr nicht vergessen, welchen Trank Ihr da an Eure Lippen setzt. Auch wenn Ihr selbst nach den Tropfen verlangt, so wisst Ihr doch genau, was es darüber hier am Pregel heißt: Sie seien gefährlich, lebens gefährlich«, fügte sie hinzu und sah ihm in die unruhigen braunen Augen.
    Seine buschigen Brauen

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