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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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ohne Euch bringt er es wirklich nur zum närrischen Jahrmarktsquacksalber. All die Jahre, die er an den ehrwürdigen Universitäten studiert hat, haben den Schalk in seinem Hirn anwachsen lassen, statt sein Wissen zu mehren. Nur Ihr allein könnt das Wunder vollbringen, ihn vor dem schlimmsten Unsinn zu bewahren. Versprecht mir einfach, ihn nicht im Stich zu lassen.«
    »Dann haben wir Euren Segen, Vater?«, hakte Christoph nach und legte den Arm um Carlottas Schultern.
    »Moment«, meldete die sich lächelnd zu Wort, »nur, wenn du mir versprichst, deine Heilkünste nicht landauf, landab auf den Jahrmärkten feilzubieten, sondern brav mit mir hier in der Stadt sesshaft zu werden.«
    »Reicht dir als Beweis meiner guten Absichten vielleicht dieses hier?« Er ließ sie los, um in den Taschen seines Rocks nach etwas zu suchen. Prüfend klopfte er sie ab, steckte wieder die Hände hinein, erblasste, suchte weiter. Bald stand ihm der Schweiß auf der Stirn, und er schlug sich anklagend die Faust auf die Brust. Dabei musste er auf etwas gestoßen sein. Sofort gewann sein Antlitz die gesunde Farbe zurück. Umständlich zog er eine dünne Lederschnur unter dem Hemdkragen hervor und knotete sie auf, um sie Carlotta dicht vors Gesicht zu halten. An der Schnur baumelte etwas Ungleichmäßiges, Längliches. Lächelnd hielt er es ins Licht, damit der durchscheinende Stein voll zur Geltung kam.
    »Ein Bernstein!«, jauchzte Carlotta auf. Der alte Kepler schmunzelte. Glücklich fasste sie nach dem Stein, zog ihn näher zu sich heran und betrachtete ihn ausgiebig von allen Seiten. Er war von einem glühenden Rot, vollkommen klar und rein.
    »Er ist wunderschön«, sagte sie. »Ein wenig anders, aber bestimmt nicht weniger kraftvoll als seine Vorgänger.«
    »Das will ich hoffen«, meinte Christoph.
    »Wir werden sehen, inwieweit er mir künftig beisteht, weitere Wunder zu bewirken. Das erste zumindest scheint vollbracht.«
    Sie wies auf den alten Kepler. Mit einem zufriedenen Lächeln war er eingeschlafen. Gleichmäßig hob und senkte sich die Brust.
    18
    G leich nach dem Frühstück zog Magdalena sich in Hartungs Wunderkabinett zurück, wie sie das auch schon an den beiden vergangenen Tagen getan hatte. Kaum hatte sie die doppelflügelige Tür hinter sich geschlossen, fühlte sie sich wohler. Selbst die staubige, trockene Luft machte ihr nichts aus. Sie warf die offenen, noch immer tiefroten Locken zurück und ließ den Blick durch den vollgestopften Raum wandern.
    Das Betrachten der seltsamen Dinge, die Hartung im Lauf seines Lebens zusammengetragen hatte, lenkte wunderbar ab. Darüber vergaß sie für eine Weile die quälende Ungewissheit, wie es Carlotta in Königsberg ergehen mochte. Weder der gutmütige Hartung noch der aufbrausende junge Kepler schienen ihr im Zweifelsfall geeignet, die siebzehnjährige Tochter zu beschützen. Helmbrecht hätte diesen Part viel besser ausgefüllt. Den aber hatten weder Carlotta noch Christoph als Begleiter akzeptiert. Also blieb nur die Hoffnung, das Schicksal möge ihnen gnädig sein und alles zum Guten wenden.
    Magdalenas Blick fiel auf einen der Schaukästen vor der Fensterfront. Unter der Glasscheibe befand sich eine Sammlung verschiedener Messer und Speerspitzen. Einige Klingen glänzten silbrig im einfallenden Sonnenlicht, andere waren matt, manche völlig von Rost überzogen. Die Speerspitzen dagegen schienen besser in Schuss. Sie wirkten gar frisch geschärft. Aufmerksam widmete sich Magdalena den Feinheiten der Verzierungen auf den Griffen. Ihr Herz stockte, als sie die Initialen auf dem Heft eines Klappmessers erkannte: E. G. – Eric Grohnert! Das konnte nicht sein. Sie beugte sich tiefer, besah sich den hölzernen Knauf genauer und atmete schließlich erleichtert auf. Eine dunkle Maserung des Holzes hatte sie in die Irre geführt. Just vor dem ersten Buchstaben war ein Fleck. Die Buchstaben lauteten also C. G. Und nicht E. G.!
    Um nicht noch weiteren Täuschungen aufzusitzen, wandte sie sich einem anderen Kasten zu und betrachtete die dort aufgereihten Becher aus Ton, Zinn und Glas. Doch auch hier meinte sie immer wieder, einen Hinweis auf Eric zu entdecken. Erschöpft sank sie in einen ledernen Klappsessel, der zwischen den Fenstern stand. Wenn sie ehrlich war, boten ihr all diese Kuriositäten nicht nur Ablenkung von der Sorge um ihr Kind, sondern auch stete Erinnerung an den vor vier Jahren verstorbenen Gemahl. Schuld daran war Hartungs Eingeständnis, einen Großteil

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