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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Geschichte mit der Salbe. Allzu oft solltet Ihr den Beistand des Allerhöchsten nicht mehr herausfordern.«
    Streng sah sie auf ihn hinunter. Er biss die Lippen zusammen und sah wieder an ihr vorbei zur Tür. Mitleid überkam sie. Das verräterische Glitzern in seinen Augen dauerte sie. Wie musste er sich fühlen: ein gestandener Apotheker von knapp dreißig Jahren, den eine kleine, siebzehnjährige Wundärztin maßregelte, weil er eine Wundsalbe falsch zusammengemischt hatte!
    »Ich vermute, Ihr habt zu viel von dem Silberglett oder von einem der Öle untergemischt. Diese Stoffe werden von besonders empfindsamen Naturen in zu großer Menge nicht so gut vertragen.« Abermals betrachtete sie den grobschlächtigen Mann von oben bis unten. Das Wort ›empfindsam‹ hatte sie bewusst betont, weil es ihr angesichts seiner kräftigen Gestalt absurd erschien. Doch nie sollte man sich allein vom ersten Eindruck leiten lassen.
    »Ich werde Eure Haut reinigen und meine eigene Salbe wieder auftragen. Vorausgesetzt«, behutsam fasste sie ihn am Kinn, zog sein Gesicht zu sich herüber und suchte seinen Blick, »Ihr seid gewillt, mich als Eure Wundärztin mit der weiteren Behandlung zu betrauen.« Zustimmend nickte er. »Das solltet Ihr nicht nur deswegen tun, um diesen fürchterlichen Ausschlag wieder loszuwerden, sondern weil Ihr mir und meinen Methoden fortan tatsächlich vertraut.«
    Ohne die Antwort abzuwarten, breitete sie abermals die Tiegel auf dem Tisch aus. Sie beschloss, Pantzers Leib zunächst mit Leinöl abzutupfen. Das schien ihr das sanfteste Mittel, dem Ausschlag zu begegnen. Sie riss einen Streifen Stoff entzwei, tränkte ihn mit dem Öl und begann mit der Säuberung. Bei der ersten Berührung kniff der Apotheker Lippen und Augenlider zusammen. Je weiter sie mit dem Abtupfen fortfuhr, desto mehr entspannte er sich und äugte schließlich wissbegierig, was genau sie tat.
    »Da komme ich wohl gerade recht«, tönte Christophs Stimme von der Tür her zu ihnen herüber. Ein kühler Luftzug wehte mit ihm herein, sorgte für einen kurzen Moment der Erfrischung. Wie ertappt hoben Carlotta und Pantzer die Köpfe. »Das sieht aber gar nicht gut aus.«
    In wenigen Schritten hatte Christoph den Raum durchquert und lugte über Carlottas Schulter auf die behaarte Brust des Freundes. Dank des Leinöls hatten sich die ersten Pusteln bereits zurückgebildet, die Rotfärbung der Haut schien merklich abgemildert. Dennoch ahnte Carlotta, was Christoph denken mochte. Tränen der Wut stiegen in ihr auf. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte ihm alles erklärt. Das aber war Pantzers wegen undenkbar. Hilflos ballte sie die Fäuste.
    »Zumindest die Wundnaht heilt gut«, stellte Christoph trocken fest. »Erstaunlich, wenn man die restliche Haut betrachtet. Bist du sicher, das richtige Pflaster genommen zu haben?«
    Ungeduldig schob er sie beiseite und beugte sich tiefer über den entblößten Oberkörper seines Freundes. Pustel für Pustel untersuchte er und zog schließlich ratlos die Augenbraue hoch. »Vielleicht sollte man doch noch einen anderen Wundarzt hinzuziehen. Schließlich vertraut mein Vater nicht von ungefähr dem alten Dohna.«
    Der Vorschlag traf Carlotta wie eine Ohrfeige. Unerwartet harsch sprang ihr Pantzer bei: »Lass Dohna aus dem Spiel. Den alten Schwätzer will ich nicht an meinem Krankenbett sehen. Ohnehin liegst du völlig falsch. Unsere geschätzte kleine Wundärztin hier trifft nicht die geringste Schuld. Ich selbst bin der Tölpel, der das verbrochen hat. Den schlimmen Ausschlag verdanke ich meiner eigenen Dummheit. Ich wollte dem Geheimnis ihrer Wundsalbe auf die Spur kommen und habe …«
    »Sag nicht, du hast dich am Mischen der Salbe versucht!« Christoph schüttelte den Kopf. »Wie töricht bist du eigentlich? Lernst du nie aus deinen Fehlern?«
    »Lass gut sein.« Tröstend legte Carlotta ihrem Patienten die Hand auf die Schulter. »Er trägt schwer genug daran. Der Ausschlag ist schmerzhaft. Schau, wie entzündet die Haut ist.«
    »Trotz allem wohl nicht schmerzhaft genug, wie unser Freund überhaupt sehr viel aushalten kann, bevor er endlich begreift.« Christoph blieb ungerührt. »Es gibt eben Ochsen, die haben ein solch dickes Horn vor dem Schädel, dass das Hirn dahinter gar nicht mehr arbeiten kann.«
    »Ich bin nur froh, gleich ein Mittel gefunden zu haben, ihm Linderung zu verschaffen«, versuchte sie, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. »Wir Wundärzte sind dazu da,

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