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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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unseren Patienten in der Not zu helfen, nicht, ihnen Vorwürfe zu machen oder gar ihr Verhalten zu bestrafen.«
    Christoph schnaufte laut durch die Nase, Pantzer dagegen lächelte zaghaft, tastete nach ihrer Hand und drückte sie dankbar.
    »Du bist einfach zu gut«, war alles, was Christoph unter Kopfschütteln hervorbrachte.
    Das Lächeln auf Pantzers Gesicht indes wurde breiter. »Sie ist nicht nur gut, sie ist die Beste«, triumphierte er. »Sowohl als Mensch als auch als Wundärztin. Mensch, Kepler, begreif doch! Diese Frau ist das Beste, was dir passieren kann.«
    Schelmisch sah er zwischen ihnen beiden hin und her. Sie erröteten, wagten nicht, einander anzusehen. Unwillkürlich tastete Carlotta nach dem Bernstein. Das übermütige Funkeln in Pantzers braunen Augen war selbst im trüben Licht des engen Schlafgemachs zu erkennen, während Christoph den Blick geflissentlich gesenkt hielt.
    »Wenn du nicht willst, guter Freund«, fuhr Pantzer direkt an ihn gewandt fort, »dann springe ich gern für dich in die Bresche. Jetzt, wo sie schon meine nackte Brust gesehen hat, wird es mir sicher gelingen, sie auch von meinen sonstigen Qualitäten zu überzeugen.«
    Frech streckte er sich. Abermals errötend, wandte sich Carlotta ihren Wundarztutensilien zu, sortierte die Tiegel auf dem Tisch, verschloss diejenigen, die sie nicht mehr benötigte, und strich von der Wundsalbe auf ein Eibischblatt.
    »Schade«, raunte sie ihm zu, als sie das Kräuterblatt mit der Paste vorsichtig auf die Wunde drückte. »Gerade hatte ich begonnen, Euch zu mögen.« Sie legte die Finger über die Lippen und schüttelte den Kopf, um ihn von einer weiteren törichten Bemerkung abzuhalten. Gemeinsam mit Christoph verband sie Pantzers breiten Oberkörper neu und verabschiedete sich dann rasch aus dem düsteren, stickigen Schlafgemach.
    16
    P antzer ist ein Schwachkopf.« Verärgert stieß Christoph mit der Fußspitze einen Stein beiseite. Das grelle Sonnenlicht blendete ihn nach dem Aufenthalt in der stickigen, düsteren Stube des Apothekers.
    »Sei nicht zu hart«, warf Carlotta ein. »Er meint es nicht böse.«
    »Hm«, war alles, was Christoph sich abringen mochte. Der Unmut passte schlecht zu seinen weichen Gesichtszügen. Die Lippen waren einfach zu voll, um sich wirklich schmal ziehen zu lassen. Auch die kleinen Falten um die Augen strahlten stets, wie sehr er auch die Brauen zusammenkneifen mochte. Er ahnte wohl nicht im Geringsten, wie rührend verzweifelt es wirkte, wenn er streng erscheinen wollte. Darüber verzieh Carlotta ihm glatt die üble Laune und die offen geäußerten Zweifel an ihrer Wundarztkunst. Wieder spürte sie die verräterische Hitze in sich, die sie erfasste, wenn sie ihm nahe kam.
    »Lass uns noch ein wenig den Tag genießen«, schlug sie vor. »Schon wieder herrscht Frühling mitten im Oktober!«
    Sie zog ihn in die breite Löbenichter Langgasse hinein, am ausladenden Brunnen vor dem Haus der Malzbrauerzunft vorbei, wo sich Mägde und Hausfrauen zu einem kleinen Vormittagstratsch versammelt hatten. Auch die hagere, missmutige Wirtschafterin aus Pantzers Apothekerhaus fand sich darunter. Kurz begegneten sich ihre Blicke, dann wandte sich die Frau ihrer Nachbarin zur Linken zu. Trotzig warf Carlotta die rotblonden Locken in den Nacken und spazierte hocherhobenen Hauptes an Christophs Seite an den Frauen vorbei.
    Eisenräder knirschten über das staubtrockene Straßenpflaster. Das Quietschen schmerzte in den Ohren. Ein von zwei Ochsen gezogenes Gespann versperrte den Weg von der Löbenichter Langgasse zur Kirchgasse hinauf. Der Fuhrmann hatte seinen Wagen zu knapp um die Ecke gelenkt und war mit dem Gefährt an der vorkragenden Mauer des Eckhauses hängengeblieben. Wutschnaubend scharrten die Ochsen mit den Hufen, als der Kutscher sie durch Peitschenhiebe und Flüche anzutreiben gedachte. Eine Traube Neugieriger sparte nicht mit Ratschlägen, doch Carlotta und Christoph hielten sich nicht auf, sondern zwängten sich durch die Menge weiter westwärts, dem Mühltor zur Altstadt zu.
    »Machst du noch weitere Krankenbesuche?«, erkundigte sich Carlotta beiläufig, während sie ihren Blick schweifen ließ. Obwohl die Langgasse auch im Löbenicht die wichtigste und vornehmste Straße war, reichte sie nicht an die gleichnamigen Straßen in Altstadt und Kneiphof heran. In dieser Stadt hatten vor allem die Handwerker und Brauer ihr Zuhause. Die Häuser ragten nicht so weit empor, auch fehlten ihnen der protzige Putz sowie die

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