Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)
riesiger Kronleuchter aus Lack, mit schwarzer Spitze ausgelegte Vitrinen. Cupcakes als verbotene Frucht. Das Café sollte all denjenigen Zuflucht bieten, die den Verpflichtungen des Erwachsenseins, dem Arbeitsalltag und dem tyrannischen Zwang zu nordkalifornischer Outdoor-Sportlichkeit wenigstens für eine Weile entfliehen wollten. Warum solltest du in den Headlands campen gehen , würde unser Laden verführerisch flüstern, wenn du es dir hier genauso gut mit Cupcakes und Cappuccino gemütlich machen kannst ? Wir wollten eine Höhle für große Kinder bauen, die eine süße Ablenkung suchten, etwas Nostalgisches, das Luxus und Jungbrunnen zugleich sein durfte. Wie bestimmte Pharmazeutika oder eine neue Liebe waren Annies Cupcakes einfach hervorragende Stimmungsaufheller.
Zumindest bei mir wirken sie so , dachte ich.
Treat. Wir würden das Café Treat nennen, denn genau darum ging es uns: um Naschereien, mit denen man sich mal wieder so richtig verwöhnen konnte.
Es war nicht immer alles glattgegangen. Wir hatten auch manche Rückschläge erlebt: In der einen Woche hatten Burts Arbeiter sich über verschwundene Werkzeuge beschwert, und als ich einmal abends zu meinem Mercedes lief, den ich ein Stück weiter auf der Straße geparkt hatte, war ein Hinterreifen zerstochen. Aber was sollte man im Mission District auch anderes erwarten? In der ersten Zeit haben wir uns nichts weiter dabei gedacht. Unseren Zeitplan brachte es jedenfalls nicht durcheinander, und mir verschaffte die Aufgabe, unser kleines Team durch eine lange To-do-Liste zu steuern, den ersehnten Halt im Alltag. Doch selbst das konnte mich nicht von dem Stein der Traurigkeit befreien, der schwer auf meiner Seele lag, und der pochende, stechende Schmerz in meinem Innern ließ sich auch durch den köstlichsten Cupcake nicht dauerhaft verdrängen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als weiterzumachen und die Hoffnung nicht zu verlieren.
»Paket für dich!«, rief meine Mutter, als sie einige Tage nach jener durchwachten Nacht eine große Schachtel mit einer riesigen elfenbeinfarbenen Geschenkschleife in die Bibliothek brachte. Ich sah von dem Buch auf, das ich gerade las, und seufzte. Manchmal amüsierten mich die platten Einschmeichlungsversuche der Leute, die sich eine Einladung zu meiner Hochzeit erhofften, doch an Tagen wie diesem war ich eher genervt, ja angewidert von dem ganzen Theater.
Meine Mutter musterte mich kurz und stellte die Schachtel mit einem »Ts-ts« vor mir auf den Boden.
»So ist es bei uns nun mal üblich, mein Liebes«, sagte sie. »Zu einer Verlobung gibt es Geschenke. Und du wirst deine Freude und Dankbarkeit in einem liebenswürdigen kleinen Brief zum Ausdruck bringen, da bin ich ganz sicher. Wenn ich dir eins beigebracht habe, dann ist es hoffentlich gutes Benehmen.«
Und was ist mit Großmut? Ich dachte daran, wie ich Annie damals behandelt hatte. Was ist mit der Fähigkeit, dem Glück hinterherzujagen, auch wenn es sich mir schneller und geschickter entzieht als je zuvor?
»Na«, sagte meine Mutter eine Spur sanfter, als ich nicht sofort antwortete, »willst du es nicht aufmachen?«
Die Schachtel kam von meiner Großtante Lucy und enthielt ein Tranchierbesteck. Die Griffe aus Sterlingsilber waren über und über mit kleinen Schnörkeln verziert, die ich normalerweise mit Schaudern zur Kenntnis genommen hätte. Diesmal starrte ich sie nur verwirrt an. Für welches Leben waren diese Geschenke gedacht? Für Festtagsdinner? Für das Abendessen im Kreis der Familie? Warum schienen so viele Menschen ein klares Bild von meiner Zukunft zu haben, im Gegensatz zu mir?
Meine Mutter tätschelte mir den Kopf, als wäre ich ein braver Hund. Es lag etwas seltsam Tröstendes in dieser Geste. Zum ersten Mal fragte ich mich, ob sie die wahren Beweggründe hinter meiner plötzlichen Rückkehr erahnte; ob sie wusste, warum ich die Hochzeitsvorbereitungen mied wie die Pest und mich stattdessen für Cupcakes begeisterte.
»Ich lege es zu den anderen Geschenken ins Gästezimmer«, sagte ich und stand auf. Meine Mutter ließ ihre Hand sinken. »Es ist ein hübsches Set«, fügte ich hinzu und brachte mit Mühe ein Lächeln zustande. Es war mein typisches Lächeln: Halb kam es von selbst, halb musste ich es erzwingen. Es teilte der Welt mit, dass es mir gutging, dass ich glücklich war, dass ich alles auf die Reihe bekam und keinen Anlass zur Sorge bot.
Meine Mutter erwiderte es mit ihrer eigenen strahlenden Version.
Ich ging über den Flur
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