Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)
Muster dahinter zu erkennen.
»Pass auf dich auf«, sagte mein Vater und hob seine Kaffeetasse vor sich in die Höhe, »aber mach diese Kerle fertig! Lass dich davon nicht runterziehen.« Er setzte die Tasse an die Lippen und nahm einen geräuschvollen, genüsslichen Schluck.
»Natürlich nicht.«
»Zusammen seid ihr unschlagbar, du und Annie. Das sieht jeder Trottel aus hundert Metern Entfernung. Ich bin nur …« Er zögerte und räusperte sich. Ich spürte, wie sich eine Gänsehaut in meinem Nacken ausbreitete. Es war ganz und gar nicht seine Art, nach dem richtigen Wort suchen zu müssen; mir schwante nichts Gutes. »Ich bin wirklich stolz auf dich, Kleines«, sagte er schließlich. »Es freut mich sehr, dass du deine Freundschaft mit Annie wieder aufleben lässt. Ich weiß, dass es dir nicht immer leichtfällt, dich anderen Menschen ganz zu öffnen, aber man kann es mit der Unabhängigkeit auch übertreiben. Wir sind nicht dazugeboren, als Einzelkämpfer durchs Leben zu gehen. Jeder braucht einen besten Freund oder eine beste Freundin.«
Mein Vater nahm den nächsten großen Schluck Kaffee, während ich ihn ungläubig anstarrte. Bei dem Gedanken, dass er oder überhaupt irgendjemand mich auf diese Weise analysierte, sträubte sich alles in mir. »Ich habe einen besten Freund«, protestierte ich. »Ich habe Wes.«
Mein Vater warf mir einen unergründlichen Blick zu, sagte aber nichts.
»Und, wer ist dein bester Freund?«, fragte ich verärgert.
»Ich habe zwei«, erwiderte er ohne zu zögern. »Zum einen natürlich Kip Shanahan.« Kip war der Mitbewohner meines Vaters aus ihrer gemeinsamen Studienzeit in Stanford und außerdem mein Patenonkel – ein lauter, gutmütiger Orthopäde, der die Vorliebe meines Vaters für Kobe-Steaks und Bordeaux teilte. »Und Curtis. Wir haben viel zusammen erlebt und er kennt alle meine Geheimnisse.«
»Was ist mit Mom?«, fragte ich rasch. Mir lag nicht daran, die Geheimnisse meines Vaters zu erfahren.
»Drei!«, rief er und lachte schallend, wobei er sich mit gespielter Nervosität im Zimmer umsah. »Ich wollte natürlich sagen, dass ich drei beste Freunde habe! Und du wirst mir nie nachweisen können, dass ich etwas anderes behauptet habe.«
»Nein«, sagte ich lachend. »Ich meinte, wer ist Moms beste Freundin?«
»Ach so. Die beste Freundin deiner Mutter? Das ist eine schwierige Frage. Sie kennt ja einfach jeden. Vor zehn Jahren hätte ich gesagt, es ist Lucia. Jetzt bin ich mir nicht so sicher. Ich glaube, sie hatte Probleme, die Lücke zu füllen.«
Über diese Antwort musste ich erst einmal nachdenken. Ich hatte immer gewusst, dass meine Mutter und Lucia befreundet gewesen waren, doch dass Lucia eine so wichtige Rolle in ihrem Leben gespielt hatte, war mir bislang nicht klar gewesen.
»Das waren schöne Jahre damals«, sagte mein Vater leise und schob die Krümel auf seinem Teller hin und her. Seine gute Laune schien auf einen Schlag verschwunden. »Wir hatten einen guten Lauf.«
Sein Stimmungsumschwung erschreckte mich, aber er hatte Recht. Es hatte eine Zeit gegeben, in der bei uns zu Hause eine wunderbare Harmonie herrschte. Meine Mutter hatte Lucia, mein Vater hatte Curtis, und ich hatte Annie. Zum allerersten Mal beschlich mich der Gedanke, ich könnte diesem Glück den ersten Kratzer verpasst haben, als ich meine Freundin im Stich ließ.
»Erinnerst du dich an das Thanksgiving, als wir Lucia, Annie und Curtis eingeladen hatten, mit uns zusammen zu feiern?«, fragte mein Vater. »Das ist fünfzehn Jahre her. Mir ist unerklärlich, warum wir das nicht jedes Jahr gemacht haben. Es war eine wunderschöne Feier.«
Diese nostalgische Anwandlung war so untypisch für meinen Vater, sein in sich gekehrter Blick so anders als sein sonst so munterer, fröhlicher Gesichtsausdruck, dass ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Ich spürte einen Stich im Herzen und starrte stumm auf den Tisch. Die Vorstellung, dass mein Vater mit dem Alter weicher und wehmütiger werden könnte, gefiel mir gar nicht. Er hatte mein Unbehagen wohl bemerkt, denn er lachte laut auf. Der vertraute durchdringende Klang seiner Stimme beruhigte mich etwas.
»Mach nicht so ein Gesicht, mein Liebes«, sagte er heiter. »Ich will damit nur sagen, dass ich mich freue, dich wieder hier zu haben! Das bringt ein bisschen mehr Leben in die Bude, und das finde ich schön. Und nebenbei bemerkt, nur weil du dich an dieses eine Thanksgiving nicht erinnerst, bin ich noch lange kein sentimentaler
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