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Das Bett

Titel: Das Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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etwa verkleinerte, sondern ihn erst recht sonnengleich werden ließ. In Ermangelung großer Konkurrenz war Mr. Fraudendorff in New York zu »dem Grafen« schlechthin angewachsen. Der Vorstand des Museums rühmte sich, mit ihm einen hervorragenden Griff getan zu haben, aber Mr. Fraudendorff trug seinen Lorbeer zu Recht. Er war einer der geschicktesten Sammler von Spenden, den die New Yorker Geldwelt jemals kennen- und fürchten gelernt hatte. Mr. Fraudendorff verstand es unnachahmlich, seinem Adel allen Schrecken zu nehmen. Er verhielt sich vorbildlich als der Besiegte, und er gab seinen amerikanischen Geschäftspartnern auf eine ungezwungene Manier zu verstehen, daß Amerika, das in Europa für den Sieg der Demokratie gekämpft habe, dort als einzigen ernst zu nehmenden Gegner neben den zum Untergang verurteilten Marionetten auf ihn selbst gestoßen sei, und es herrschte |345| bei den Herren des Vorstands längst achtungsvolle Einigkeit darüber, daß die Chancen, den Weltkrieg zu gewinnen, erheblich schlechter gestanden hätten, wenn unter der österreichischen Feudalität mehr Figuren wie Mr. Fraudendorff gewesen wären. Niemand wird dieser Vermutung im übrigen widersprechen können, ohne sich auf das Feld der Spekulation zu begeben, denn Mr. Fraudendorff hatte, einer geringfügigen Verfehlung ziviler Art halber, nicht die Möglichkeit erhalten, am Weltkrieg in einer Weise teilzunehmen, die seine erschreckenden Fähigkeiten in Abrede hätte stellen können.
    Und nun war er in New York dasselbe wie der vom heiligen Georg besiegte Drachen auf dem Marktplatz von Trapezunt. Die Bürger von Trapezunt standen um ihn herum und bestaunten das Ungeheuer, das geknickt an einer Kette lag, und das Ungeheuer revanchierte sich mit einer Überraschung, denn es war so charmant, daß sich kein einziger der Trapezunter Honoratioren ihm widersetzen konnte; ja, es wurde sogar der Brauch beibehalten, daß die Töchter aus gutem Haus dem Ungeheuer ausgehändigt wurden, nicht mehr zum Verspeisen allerdings, sondern zu zarterer Behandlung. Das immerhin wurde allgemein als sein gutes Recht angesehen, so sehr auch einige jüngere Herren unter diesem Recht ächzten und Sankt-Georg-artige Bemerkungen machten, im engsten Kreise, versteht sich, denn Mr. Fraudendorff war das Entzücken zu vieler bedeutender Leute, um sich ohne Schaden an ihm vergehen zu können. Seine beste Eigenschaft war gewiß, daß er sich aus moderner Kunst nicht allzuviel machte, jedenfalls nicht so viel, daß er sich auch nur einmal dazu verstanden hätte, sinnend durch sein eigenes Museum zu schreiten und in Betrachtung vor den Picassos zu verweilen, deren Ankauf sein organisatorisches Meisterstück war. Er wußte genau, daß die Kaufleute, die die enormen Summen für diese Erwerbungen aufgebracht hatten, ebenfalls nicht sehr viel Sinn für solche privaten Leidenschaften gehabt hätten – es war besser, daß er in diesem Punkt einer der ihren war, schlau, zäh, unsentimental, aber dafür von einer Flexibilität, die als Konkurrenzvorsprung geachtet und bewundert wurde.
    |346| Als Mr. Fraudendorff Willy und Florence Korn unter den Gästen seiner Ausstellungseröffnung erblickte, wußte er sofort, daß die beiden noch niemals vorher dagewesen waren. Er tat dennoch neugierig, als ihm sein Sekretär zuflüsterte, daß Florence eine geborene Gutmann sei, denn es war ihm bisher nicht gelungen, einen Gutmann in seine heiligen Bezirke zu locken. Gutmanns konnten sich nicht vorstellen, daß das Museum of Modern Art ihrem Ruhm noch etwas hinzufügen könne. Freilich wußte Mr. Fraudendorff auf den ersten Blick, daß er sich um Florence nicht würde kümmern müssen. Ihre Augen waren fest an den Eröffnungsredner geschmiedet. Es wäre sicherlich unvorteilhaft gewesen, sie in ihren Interessen zu stören, und darüber hinaus war es ohnehin nicht klug, sich mit Damen dieser Altersklasse viel Mühe zu geben, denn es konnte sich mit ihnen Gefährlicheres ereignen, als daß sie einen abblitzen ließen, man konnte sie nämlich ebensogut nie mehr wieder los werden. Willy war hingegen der richtige Mann für Fraudendorff, der ihn schon während Tirolers Ansprache mit der gerührten Aufmerksamkeit betrachtet hatte, die der Jäger auf dem Hochsitz dem ahnungslos äsenden Reh schenkt. Fraudendorff registrierte entzückt die verhohlenen Gähnkrämpfe, das angelegentliche Studium des allzu kurzen Einladungstextes, das ruhelose Umherschweifen der Augen, das nichts anderes als der Ausdruck

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