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Das Bett

Titel: Das Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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Art seine Anstrengungen auch schon gelohnt hatte. Dennoch wäre es natürlich besser gewesen, wenn es noch einen jungen Mann gäbe, der ausschließlich Aimées Kavalier wäre, denn wenn Ines sich auch entschlossen hatte, Aimée nichts zu verheimlichen, mochte sie den liebenswürdigen Alphonse doch nicht einschätzen, wenn er Aimée erblickte und zugleich erfuhr, daß sie im Gegensatz zu Ines nicht in wenigen Tagen das Feld räumte, sondern allein in Paris zurückblieb. Ines hatte plötzlich die für ihre Natur besonders auffällige und überraschende Vorstellung, Aimée schützen zu müssen.
    Leider kannte sie keine Junggesellen in Paris, besser, sie kannte eine ganze Reihe, aber sie empfand es als aussichtslos und auch nicht recht passend, auf alte Verehrer zu rekurrieren. Außerdem war Paris eine kleine Stadt, und sie wünschte nicht, daß es ihrem jeweiligen Freund gelang, Querverbindungen herzustellen, die ihren Marktwert schmälerten.
    »Eine Frau muß auf entsetzlich viel achten, wenn sie es ein bißchen lustig haben will. Die Männer, mußt du wissen, dürfen |207| machen, was sie wollen, aber wir müssen aufpassen und ein wenig zusammenhalten, um auch einmal etwas haben zu können«, sagte sie plötzlich klagend zu Aimée, die sie verwundert ansah und ihr dann ins Gesicht lachte.
    »Die Männer sind alle Schweine, das ist doch bekannt«, sagte sie schließlich mit Behagen und tupfte sich dabei mit einem Zipfel die Mundwinkel ab, während sie mit der anderen Hand die Serviette am andern Ende straff nach unten gespannt hielt.
    »Oh, so kann man das nicht sagen! Es gibt auch sehr nette«, widersprach ihr Ines, bemüht, Fairneß walten zu lassen gegenüber dem einzigen Gegenstand, der imstande war, ihre Phantasie nachhaltig zu beschäftigen.
    »Dein Vater ist zum Beispiel ein fabelhafter Mann, anständig, charmant, alles was man will!«
    »Oh, Papa ...« antwortete Aimée und machte eine lässige Handbewegung. »Weißt du, Papa ist ... ach lassen wir das. Väter sind nie Männer.« Diese Bemerkung, die Ines niemals verstanden hätte, entging ihr glücklicherweise. Sie war mit etwas anderem beschäftigt, ihr war eine Erleuchtung gekommen, wie man vielleicht doch noch ein vierblättriges Kleeblatt arrangieren könnte.
    »Es gibt hier einen entzückenden jungen Mann neuerdings, Sohn meiner besten Freundin aus Frankfurt. Sie sind emigriert, und er arbeitet irgend etwas – ich bitte dich, frag mich nicht was – an der Amerikanischen Botschaft, Übersetzungen oder so ähnlich, die Familie ist ohne ihn nach New York gegangen. Ich muß euch unbedingt zusammenbringen, das ist eine hübsche Konjunktion, ich glaube, damit tue ich euch beiden ein gutes Werk.«
    Aimée sah sie achselzuckend an, als wolle sie sagen: Nur zu, probier dein Glück, und wandte sich dann wieder ihrem Dessert zu.
    »Du scheinst ja nicht besonders angetan zu sein«, sagte Ines und lächelte. »Aber wir müssen das trotzdem versuchen, ich würde mich ewig ärgern, wenn wir das nicht versucht hätten.« Tatsächlich machte ihr die Anbahnung einer fremden Beziehung beinahe ebenso viel Spaß wie der Beginn eines eigenen |208| Flirts. Sie war aus dem Stamm der spätantiken Fruchtbarkeitspriesterinnen, die nicht allein Wert darauf legen, selbst ihre gottgefälligen Übungen und Opferungen auszuführen, sondern die es sich auch zur Pflicht machten, Proselyten zu gewinnen, und erst glücklich waren, wenn der ganze heilige Hain schließlich unter dem Treiben zahlloser Kultteilnehmer erbebte. Auf einmal jedoch fiel Ines etwas ein: »Oder hast du vielleicht auch etwas gegen Juden?« fragte sie mit besorgter Stimme, in der schon die Enttäuschung darüber mitklang, daß an einem unwichtigen Detail der ganze schöne Plan platzen könnte. »Das weiß ich nicht«, antwortete Aimée. »Ich habe noch nie einen Juden gesehen. Bei uns in Ubbia gab es keine, glaube ich.«
    Ines atmete auf. Was die Politiker als die Judenfrage bezeichneten, hatte sie sich lange erklären lassen müssen. Im Gegensatz zu Aimée kannte sie in Frankfurt natürlich eine Menge Juden. Wenn sie ehrlich war, mußte sie sich eingestehen, daß die schwerwiegenden Argumente, die man seit einiger Zeit auch in ihren Kreisen gegen die Juden vorbrachte, sie nicht ganz unbeeindruckt gelassen hatten. Es waren genaugenommen weniger die Argumente als deren Folgen: Ines fühlte sich nicht zum Heldentum berufen und sah nicht ein, wieso sie irgendwelche Leute, mit denen sie außerdem gar nicht enger

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