Das Bienenmaedchen
Dougie«, sagte Guy. Sie schauten sich suchend um.
Überall lagen Körper und Trümmer, und ringsum glommen die kleinen Flammen der Feuerzeuge von Suchenden wie die Lichter bei Totenwachen. Der bleiche Strahl einer Taschenlampe wanderte über die Szenerie, und für eine Sekunde erhaschte Beatrice auf halbem Wege durch den Raum einen Blick auf etwas Rotes: Judys Kleid!
»Oh nein, Guy«, keuchte sie und ging mit taumelnden Schritten darauf zu, ohne auf die Glasscherben und Holzsplitter zu achten, an denen sie sich die Beine aufriss. Jemand anders war vor ihr dort.
Der Mann hatte sich über Judys Körper gebückt. Entsetzt beobachtete Beatrice, wie er die kleine Handtasche ihrer Freundin nahm.
»Finger weg!«, schrie sie und griff nach der Tasche. Doch der Mann entriss sie ihr und kletterte wie eine Ratte über die Trümmer in die Dunkelheit hinein. Beatrice beugte sich hinunter und kratzte den Schutt zur Seite, um Judys Gesicht freizulegen. Als Guys Feuerzeug darauf fiel, kreischte Beatrice vor Entsetzen auf – Judys Kopf war halb abgetrennt. Sie drehte sich um und presste ihr Gesicht an Guys Brust.
»Beatrice«, sagte er. »Beruhige dich. Wir müssen hier raus.«
Dann fanden sie Dougie. Seine Jacke war blutgetränkt. Beatrice ging in die Hocke und fühlte nach seinem Puls. Er flatterte so verrückt wie eine Motte in der Falle. In dem Moment, als Guy zwei Männer mit einer Trage herbeirief, kam der Puls zum Stillstand.
»Dougie«, flüsterte Beatrice – es war sinnlos. Die beiden mit der Trage wandten sich ab.
»Beatrice, komm jetzt!«, befahl Guy.
Sie spürte, wie sich wilde Panik in ihrer Brust ausbreitete. Reiß dich zusammen!, sagte sie energisch zu sich selbst. Sie hatte solche Szenen schon so viele Male während des Blitz gesehen, hatte die deutschen Piloten verflucht und die Strippenzieher, die an ihren Schnüren zogen. Doch bis jetzt hatten die Bomben noch nie jemanden verletzt, den sie kannte. Sie war noch nie persönlich betroffen gewesen.
Sie erinnerte sich an etwas anderes. Rafe und Angelina mussten hier irgendwo sein. Sie hatte sie schließlich gesehen. Oder hatte sie diesen kurzen Moment des Wiedererkennens nur geträumt, als sie bewusstlos war?
Erneut drängte Guy, endlich hinauszugehen.
»Warte.« Rasch griff sie nach einem Stofffetzen, vielleicht einem Stück Vorhang, legte ihn über Judys Gesicht und flüsterte ein paar Abschiedsworte. Das war alles, was sie tun konnte. Der Schock des Erlebten ließ sie am ganzen Körper zittern, aber jetzt übernahm Guy das Kommando und zog sie fort.
Als sie im hinteren Saalbereich an der Treppe vorbeikamen, die Beatrice eben hinuntergekommen war, entdeckte sie die beiden schließlich im trüben Licht: Ein blonder Mann beugte sich über eine Frau, die in den Trümmern lag. Er rief ihnen etwas zu.
»Helfen Sie mir, um Gottes willen!«
In dieser Sekunde wurde sein Gesicht von einem Lichtstrahl erfasst.
Beatrice sog scharf die Luft ein. »Rafe«, flüsterte sie und zog Guy zu den beiden hinüber.
Es war zweifellos eine Frau, um die er sich kümmerte. Ihre Uniform war zerrissen und staubig.
»Angie?«, fragte Beatrice und kniete sich hin. »Rafe, ist sie okay?«
Er drehte den Kopf und sah sie stirnrunzelnd an.
»Oh«, entfuhr es ihr. Das war ja gar nicht Rafe!
»Ihre Atmung ist in Ordnung«, erwiderte der Mann. »Angie … Angie, Liebling! Ich bin’s, Gerald. Kannst du mich hören?«
Angelina kam langsam zu Bewusstsein und hob einen Arm zu ihrem Gesicht. Sie fing an zu zittern und leise zu schluchzen.
»Angie«, sagte Beatrice. »Ich bin’s, Bea. Keine Angst, Liebes, wir bringen dich hier raus!«
Sie untersuchte Angelina nach Verletzungen, wie sie es gelernt hatte. Aber die ganze Zeit versuchte ihr Verstand zu begreifen, dass dieser Mann nicht Rafe war, sondern sein Halbbruder Gerald. Er war größer als Rafe und irgendwie breiter. Und obwohl er die gleichen blonden Haare hatte, hatte es eine andere Wuchsrichtung, nicht wie bei Rafe an der Stirn nach oben. Angie, die jetzt wieder ganz bei Bewusstsein war, setzte sich auf, beugte sich plötzlich vor und würgte.
»O Gott, Angie«, sagte Gerald. »Hier.« Er kramte aus seiner Tasche ein Taschentuch hervor und wischte ihr über den Mund. »Komm, ich helfe dir auf. Wir bringen dich sicher nach draußen.«
»Mein Kopf«, stöhnte Angelina, als er sie auf die Füße gestellt hatte. »Er bringt mich um. Bin ein bisschen angeschlagen.«
Das Team mit der Trage kam nun an, doch Gerald winkte sie
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